Der Kuckuck

Das Dorf Schülern war bis zum Ende 1970 eine selbständige Gemeinde. Von 1971 bis zur Gemeindegebietsreform 1973 Gliedgemeinde der Samtgemeinde Schneverdingen und seitdem eine Ortschaft der Gemeinde Schneverdingen. Mit Ausnahme der Siedlung um die Straßen Schünhoff und Waldweg gibt es in Schülern keinen Bebauungsplan. Für den Rest des Dorfkerns existiert eine Abrundungssatzung die eine Bebauung innerhalb der Baulücken in dem gekennzeichneten Bereich ermöglicht.

Die besondere Geschichte des „Kuckuck von Schülern“ ist eine, für die damalige Zeit typische gesellschaftliche Ausprägung. Bürgertum und Landbevölkerung waren auf dem Sprung zum technischen Zeitalter und zur Demokratisierung. Wie so oft ließen sich solche gesellschaftlichen Ümwälzungen nicht gänzlich ohne gewaltsame Auseinandersetzungen erledigen.

Die sog. „Schulchronik“ ist ein „Gedächtnisprotokoll“ der Schülerner Dorfschullehrer und wurde u.a. in Kurrent- und Sütterlin – Schrift aufgeschrieben (die „Handschrift“ der Lehrer gab es kostenlos dazu). Auch hier erkennt man „den Menschen“ wieder (wie an sich selbst). Der eine hat Interesse und schreibt lustvoll diese „Schulkladden“, der andere  trägt lustlos einzelne Daten ein und geht von dannen. 

 Viel Spaß beim „Schmökern“.

Peter Hillmer – Ortschronist von Schülern

Vorwort "Der Kuckuck"

Bekannte Erzählungen wie „Heideprophet Harm von der Hude“, De Kuckuck von Schüllern“ und „Hieronymus von Münchhausen wurden unter dem Titel :„Wunnerliche Geschichten“ in einer plattdeutschen Neufassung zusammengestellt.

Harm von der Hude, der während des 30jährigen Krieges (1618-1648) in dem Heidedorf Ellingen bei Soltau gelebt hat und durch seine wundersamen Erscheinungsbilder weit über die Grenzen der Heide bekannt geworden ist, hatte zeit seines Lebens die Bürde des zweiten Gesichts zu tragen. Er war in eine Zeit geboren, als das Andenken der lutherischen Reformation und die großen Umwälzungen, die sie im Gefolge gehabt hatte, noch im Volk lebendig waren. Er sah mit Recht in den Wirren des 30-jährigen Krieges eine Strafe Gottes. Sein ganzes Sinnen und Denken bewegte sich in diesem Kreis, bis ihm die Phantasie Bilder und Erscheinungen vor Augen führte, in denen er die Zukunft zu sehen glaubte. Harm von der Hude war ein Angehöriger des „gequälten Geschlechts“, ein „Seher der Nacht“.

Kuriose Beinamen haben ihre eigenen Geschichten : Aus dem Buch „Sonderlinge und Vagabunden“ von Friedrich Freudenthal wird deutlich, wie manch einer durch eigenes Verhalten zu einem Beinamen gekommen ist. So wurde einst ein kleiner Anbauer, der um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts (ca. 1850) in dem kleinen Heideort Schülern (bei Schneverdingen) gelebt haben soll, wegen seiner vielen Spitzbubenstreiche mit einem Beinamen bedacht. Der plattdeutsche Volksmund nannte ihn „Kuckuck von Schülern“. Dieser hatte einen Freund und Komplizen, den man den Beinamen „Isenpeter“ beigelegt hatte. Beide Spitzbuben sollen zur damaligen Zeit mit ihren Untaten die Dörfer und Höfe unserer engeren Heimat unsicher gemacht haben. Der Volksmund dichtete später dazu eine Reihe von humorvollen Spottversen. Im Jahre 1913 erschien von dem Tierarzt Wilhelm Ehlers ein kleines Büchlein mit dem Titel : „De Kuckuck von Schülern“.

Es enthält 14 plattdeutsche Geschichten über die verwegenen Streiche des „Kuckuck“ und seines Komplizen „Isenpeter“. Leider sind von den gedruckten Exemplaren keine mehr aufzufinden. Damit diese humorvollen Erzählungen nicht verlorengehen, habe ich mich bemüht, die Texte von Wilhelm Ehlers neu aufzuschreiben, dabei mußte einiges für die plattdeutsche Mundart geändert werden. Die hochdeutsche Ortsbezeichnung Schülern wird im plattdeutschen Sprachgebrauch Schüllern genannt. Die von Wilhelm Ehlers aufgeschriebenen Geschichten wurden ihm zum Teil von der Landbevölkerung zugetragen.

Soltau, im Sommer 1992
Ewald Hillermann

Geschichtlicher Hintergrund - Der Kuckuck

Nach dem Ende der napoleonischen Zeit (1815 = Schlacht bei Waterloo) ging es Land und Leuten schlecht. Das Land war verwüstet, die Menschen waren in Not und Elend. Mit dem Ackerbau und der Viehzucht scheint es damals (vor 1840) in Schülern sehr traurig bestellt gewesen zu sein. Infolgedessen zum Teil bittere Armut geherrscht hat. Viele Einwohner sollen Diebstahl und Raub getrieben haben.

In unserer engeren Heimat wurde einst ein Anbauer, der um 1845 in dem kleinen Heideort Schülern gelebt haben soll, mit einem besonderen Beinamen bedacht. Der Volksmund nannte diesen pfiffigen Anbauer wegen Spitzbubenstreiche : „Kuckuck von Schülern“.

Warum und weshalb man ihm diesen Beinamen gegeben hat, lässt sich nicht genau feststellen. Mit dem Vogel Kuckuck, der uns mit seinem Glockenruf alle Jahre den Frühling bringt, hat dieser Beiname nichts zu tun.

Der „Kuckuck von Schülern“ hatte einen treuen Freund und Komplizen, dem man den Beinamen „Isenpeter“ verlieh. Beide sollen zur damaligen Zeit die Höfe und Dörfer in unserem Heidekreis unsicher gemacht haben. Der „Kuckuck“ (Hinrich Baden) wohnte in Schülern im sog. „Kuckuckshaus“ auf der Neubauerstelle 13 (heute : Fam. Eggers) Sein Komplize „Isenpeter“ (Christoph Brockmann) wohnte am Schülerner Dorfrand auf der Neubauerstelle 9 / Bargbur (heute : Fam. Inselmann).

Der Volksmund dichtete lustige Spottverse und die Musikanten spielten auf allen Tanzböden das „Schülerner Kuckuckslied“, das nach der Melodie : „Gah von me, gah von me“ gesungen und getanzt wurde. Im Jahre 1913 erschien von dem Soltauer Tierarzt Ehlers ein kleines plattdeutsches Büchlein : „De Kuckuck von Schülern“. Es enthält zwölf kuriose Geschichten über die Spitzbubenstreiche des „Kuckuck“ und seines Komplizen „Isenpeter“.

Edwin Gellersen hat in den 30er Jahren aus der Vorlage des Soltauer Tierarztes Ehlers ein Bühnenstück verfasst, das bei passenden Gelegenheiten von der Schülerner Dorfjugend aufgeführt wurde. Schon 1922 beim großen Heimatfest in Schneverdingen begleitete ein Festwagen „Der Kuckuck von Schülern“ die Rosenkönigin Marie Röhrs aus Schülern, die mit offenem Haar auf dem Sachsenschimmel begleitet von Elfen und Schmetterlingen durchs Land ritt.

Nach dem 2. Weltkrieg bildete sich in Schülern eine Laienspielgemeinschaft. Die Gruppe „Frohsinn“ führte u.a. schon 1950 erstmals das Bühnenwerk „De Kuckuck von Schülern“ im Gasthof Gellersen in Schülern, im Hotel Witte in Schneverdingen sowie in Tewel und Schwalingen auf (Regie : Edwin Gellersen).

Das Spottlied auf den Kuckuck von Schülern

 „Dor liggt en lütt Heiddörp,                        „De Kuckuck vun Schüllern,

woll jedeen  dat weet,                                de harr nich maal’n Schuur,

dor waahn ins de „Kuckuck“,                         he harr so väl Koorn

vun den gifft en Leed“.                              as mannich groot Buur“.

(„Dort liegt ein kleines Heidedorf,            („Der „Kuckuck“ von Schülern,

jeder weiß das,                                     der hatte nicht mal eine Scheune,

dort wohnte einst der „Kuckuck“                      er hatte so viel Korn

von dem gibt es ein Lied“).                        wie mancher große Bauer“).

 

„De Swalger Muskanten,                              He harr kenen Wagen,

de spääl’n , up’n Saal,                                 keen egen Spann Peer,

un all de Lüüd danzen                                un köm mit’n Feuher Torf

dat Leed up un daal                                    vun de Jokkobsstraat her“.

(„Die Schwalinger Musikanten,                       („er hatte keinen Wagen,

die spielten auf dem Saal,                         kein eigenes Pferdegespann,

und alle Leute tanzten                               und kam mit einem Fuder Torf

das Lied rauf und runter“)                           von der Jakobsstraße her“).

 

Vun Flatthuus bett Schüllern                        „Acht Hehlers de stünnen

sind dat nich fief Miel,                                 den Kuckuck to’r Siet.      

een Sög mit veer Farken                              He wör’n Liekedeeler

sünd dat nich fief Swien“.                               bi nachtslapen Tiet“.

(„Von Flatthaus bis Schülern                        („ Acht Hehler die standen 

sind das nicht fünf Meilen,                             dem Kuckuck zur Seite.

eine Sau und vier Ferkel                         Er war ein Kämpfer der alles teilte,

sind das nicht fünf Schweine“).                        bei nachtschlafener Zeit“).

 

„De Kuckuck vun Schüllern                          „Sien Mackers de röpen :

hett gistern abend  suert,                               We sünd user acht,

 will tokam Wääk backen,                             veer doot dat Stählen,

is dat all passiert“?                                 veer staht up de Wacht“!

(„Der Kuckuck von Schülern                        („Seine Freunde die riefen :

hat gestern abend gesäuert,                            Wir sind gesamt acht,

 will kommende Woche backen,                          vier tun das Stehlen,

ist das schon passiert“)?                               vier sind auf der Wacht“)!

 

 „Ins seet in de Dönzen                               „De Kuckuck  vun Schüllern

 sien schöne Marleen,                                     ji hebbt dat al höört,

 se harr ünner’n Rock                                       de Slieker, de wör

een Putt Heidhonnigseem“.                           all sein Lävdag nicks weert“.

(„Einst saß  in der Stube                               („Der Kuckuck von Schülern

seine schöne Marlene,                                 ihr habt das schon gehört,

sie hatte unter dem Rock                               der Schleicher, der war

einen Topf mit Heidehonigsaft“).                      sein Leben lang nichts wert“).

 

De Buurn ut Reimern                                „He haal sik vun’n Broockhofwörrn

achter em her,                                             en Schaplamm un’n Bock

dat Honnigfatt up jüm                                  De Buurvagt vun Snevern,

ehren Spieker wör leer“.                                   de steek em in’t Lock“     

(„Die Bauern aus Reimerdingen                          („Er holte sich vom Brockhof

waren hinter ihm her,                                    ein Lamm und einen Bock.

das Honigfass auf ihrem                           Der Bauernvogt aus Schneverdingen,

eigenen Speicher war leer“).                            der steckte ihn ins Gefängnis“).

„De Kuckuck vun Schüllern,                                   „Mit em tröck de Rüter

de wör nich alleen,                                                na Rodenborg to,

sein Fründ „Isenpeter“                                        dor dachen de Lüüd al,

wör just so gemeen“.                                          nu hebbt wi us Rauh“.

(„Der Kuckuck von Schülern,                                („Mit ihm zog der Räuber

der war nicht allein,                                                nach Rotenburg zu,

sein Freund „Isenpeter“                                    da dachten die Leute schon,

war genau so gemein“).                                    nun haben wir unsere Ruh“).

„De Buurn un Hüßels                                      „De Kuckuck von Schüllern

wörrn bannig in’n Schock,                                 möcht’t Lock nich mehr lien,

dat Roven un Stählen                                        he woll sik mit’n Knaken

güng rund üm de Klock“.                                     den Hals woll afsnie’n“.

(„Die Bauern und Häuslinge                               („Der Kuckuck von Schülern

standen sehr unter Schock,                      mochte das Gefängnis nicht mehr leiden,

das Rauben und Stehlen                               er wollte sich mit einem Knochen

ging rund um die Uhr“).                                        den Hals abschneiden“).

(Seite 28 und 29  :  Auszug aus „Wunnerliche Geschichten“ von Ewald Hillermann)

Kuckucksgeschichten

Geschichten in Lüneburger Platt von dem alten Viehdoktor Ehlers aus Soltau Sülsstverlag, Soltau 1913

Was ich euch nun erzählen will, sind alles wahre Geschichten, die vor noch nicht langer Zeit in Schülern und Umgebung wirklich passiert sind. Es ist noch keine 100 Jahre her, nein, was sage ich, es mögen wohl kaum achtzig sein, da lebte in Schülern ein kleiner Anbauer, der B…… hieß. Ich will lieber seinen Namen nicht ganz ausschreiben, denn es könnten noch Nachkommen von ihm leben und erzürnen möchte ich mich jetzt mit keinem.

Dieser gute Mann stand zu seiner Zeit in ganz üblen Verruf, und jeder der ihn von weitem kommen sah, ging ihm lieber 10 Meilen aus dem Weg, um bloß nicht mit ihm zusammen zu treffen. Konnte man das aber nicht verhindern, oder kam der Kerl sogar ins Haus, so war jeder sehr freundlich zu ihm, wenn es auch nicht „von Herzen“ kam. Jeder Mensch hatte gehörige Ehrfurcht vor ihm und wollte es nicht mit ihm verderben.

Dieser merkwürdige Kerl war weit und breit unter dem Decknamen „Kuckuck von Schülern“ bekannt. Warum die Leute ihn mit so einem sonderbaren Namen beglückten, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Es kann sein, daß sie ihn deshalb „Kuckuck“ nannten, weil er das so machte, wie die- ser faule Vogel. Er legte nun nicht just seine Eier in die Nester anderer Leute, das hätte ihm wohl keiner übelgenommen, aber er machte sich in anderer Leute Häuser auf eine Art zu schaffen, die das Licht nicht so recht vertrug. Diese Machenschaften brachten ihn letztlich auch ins Gefängnis. Mit einem Wort, der „Kuckuck“ raubte und stahl, wo und was er konnte; und damit das nicht so leicht ans Tageslicht kommen sollte, hatte er seine Hehler und Helfershelfer, von denen einer mit Namen M……. oder „Isenpeter“ , der Anführer war. Das Dorf Schülern hatte in damaliger Zeit weit und breit so einen schlechten Ruf, daß, wenn ein Wandersmann der woanders übernachten wollte und auf die Frage, wo er her war, sagte, er wäre aus Schülern, der Wirt sich schüt- telte und sagte : „Da mußt du weiter gehen mein Junge, bei mir ist alles be- setzt, aber im andern Dorf kannst du noch unterkommen“. So einen schlechten Ruf hatte der verdammte „Kuckuck“ über das Dorf ge- bracht – nun wird so mancher sagen : „Ja hat die Polizei den Kerl denn das alles durchgehen lassen“ ? JaJa Leute, das sagt ihr wohl, aber das waren damals andere Zeiten als heute mit der Gerichtspflege, und die Landrüters, wie die Gendamen früher hießen, waren noch mehr gemütlich und nicht so scharf wie heute. Und ich will euch sagen, der „Kuckuck“ paßte höllisch auf, daß sie ihn bei sei- nen Streichen nicht erwischten: klug und schlau war der Kerl nun einmal. Ich will nachher Streiche von ihm vorstellen, daß euch die Tränen über die Backen laufen sollen. Weil die Leute ihn meistens nicht bei seinen schlechten Streichen zu fassen bekamen, hatten sie einen höllischen Groll auf ihn und rächten sich mit allerlei Spottliedern dafür. Von diesen famosen Liedern habe ich alle 9 Verse aufgeschrieben und werde sie später zum Besten geben.

Das Kuckuckshaus stand am Ende des Dorfes Richtung Schneverdingen; es war eine alte verräucherte Kate. 1845 brannte sie ab und später hatte der Sohn vom „Kuckuck“, der aber ein ordent- licher Kerl war, sich am anderen Dorfende (Richtung Vorwerk) wieder eine Kate aufgebaut, die heute noch steht.

Isenpeters Haus stand mitten im Dorf und war eine richtige Baracke. Ich glaube vor 17 oder 18 Jahren wurde sie abgerissen. Dieser „Isenpeter“ wie M……. allgemein hieß, war ein großer Spitzbube. Der Schlauberger hatte unten in seinem Brunnen, gerade über dem Wasserspiegel in der Brunnenwand, ein paar von den großen Steinen rausgenommen und ein großes Loch geschaffen, wo er all den gestohlenen Kram, den sein Freund der „Kuckuck“ ihm gab, versteckte. „Der Krug geht solange zum Wasser, bis er bricht“ sagt das Sprichwort. Hier war es aber „Isenpeter“, der so lange zum Wasser ging, bis sie ihn eingesperrt hatten. Als er wieder in den Brunnen stieg, um ein paar silberne Löffel in seine kleine Schatzkammer zu legen, war es wohl der Zufall, daß so ein spitzer Pickelhelm, der auf dem Kopf des Land- rüters saß, so unversehens in den Brunnen schaute. Ich sag euch, wie erschrocken der „Isenpeter“ war, als er gerade den schweren Stein, der vor dem Loch steht, zurückschob, um ein wenig frische Luft zu at- men, nach oben schaute. Als er in die glühenden Augen und das höh- nische Gesicht des Landrüters sah, erstarrte ihm die Hand, daß er fast die Löffel fallen ließ. Was haben sie hier unten im Brunnen zu tun, und was hat das Loch da in der Wand zu bedeuten, sprach der Geset- zeshüter den „Isenpeter“ an. Du lieber Himmel, wie schnell kam der „Isenpeter“ die Leiter hoch! Es half alles nichts. Er mußte beichten, was die Glocke geschlagen hatte. Er nahm alles auf seine Kappe und hat den „Kuckuck“ nicht verraten. Der Landrüter band dem „Isenpeter“ die Hände und übergab ihm den Burvogt als seinen Gefangenen.

Dann stieg er selbst in den Brunnen und holte alles ans Tages- licht, was in dem kleinen Loch steckte. Du liebe Zeit, was kam da alles zu Tage : Uhren und Pfeifen, Geldbeutel und Krüge, Tassen und Teller, Schuhe und Stiefel. In dem alten Leder steckten sil- berne Löffel, große und kleine, wohl an die 20 Paar.

Auch ein Beutel mit Geld zog er aus einem verschimmelten Stiefel raus. Das ist ja ein wahrer Glückstag sagte der Gendarm zu sich selbst, wird mir wohl bei der Behörde gut angeschrieben werden. Es dauerte nicht so lange, da hatten er und der Burvogt über alles ein Protokoll aufgenommen und mit seinem Gefangenen an der Leine ritt der Landrüter nach Schneverdingen. Mit dem „Isenpeter“ bin ich nun fertig. Jetzt kann es bei dem „Kuckuck“ losgehen. Zuerst sollen die hübschen Verse, „Schnadahüpferl“ sagen die Tiroler, und dann all die Spitzbubenstreiche, die er ausgeführt hat, angesprochen werden. Für das Spottlied ist damals sogar eine Melodie gefunden worden und überall wurde danach getanzt und gespielt. Es lebten noch vor kurzem alte Musikanten, die nach dieser Melodie so manchen Tanz gespielt hatten.

Dat Spottleed von den Kuckuck von Schülern

Vers 1. „De Kuckuck von Schülern harr garnich mal en Schuur, un har doch so veel Koorn as mannig groote Baur“. („ Der Kuckuck von Schülern hatte gar nicht mal eine Scheune, und hatte doch so viel Korn als so mancher große Bauer“).

Vers 2. „He wör nich mal Köther un har nich mal Schaap, har aber doch so veel Wull, as mannig groote Kath“. („Er war nicht mal Köther und hatte nicht einmal Schafe, hatte aber doch so viel Wolle, als manche große Kate“).

Vers 3. „De Kuckuck von Schülern hett gistern Abend süert, will token Wee- ken backen – is dat all passiert ?“ („Der Kuckuck von Schülern hat gestern Abend gesäuert, will nächste Woche backen, ist das schon passiert“)?

Vers 4. „De Kuckuck von Schülern mögg sein Frau nich mehr lieben, he woll ehr mit en Knaken den Hals woll abschneiden“. („Der Kuckuck von Schülern liebte seine Frau nicht mehr, er wollte Ihr mit einem Knochen wohl den Hals abschneiden“).

oder in Abänderung Vers 5. „De Kuckuck von Schülern mögg’t Lock nich mehr lieden, he woll sick mit en Knaken den Hals woll abschneiden“. („Der Kuckuck von Schülern mag das Loch nicht mehr leiden, er wollte sich mit einem Knochen den Hals abschneiden“).

Vers 6. „Se halen dat Bett von Reimern her, un kömen dormit von Vorwark her; Se slepen dat Bett woll in die Kath, jüm düch, dat wär de beste Rath“. („Sie holten das Bett von Reimerdingen und kamen über Vorwerk. hierher. Sie schleppten das Bett wohl in die Kate, sie dachten, das wä- re der beste Rat“).

Vers 7. „Wat harr se ünnern Rock, Marlen ? En ganzen Putt mit Honnig- seem. Marlene düch, dat wär so liek, so’n Putt wörr ok ne *Füürkiek“.(„Was hatte sie unter dem Rock, Marlene ? Einen ganzen Topf mit Honigsaft. Marlene dachte, das wäre so leicht, so ein Topf wäre auch eine Wärmflasche“).

Vers 8. „We sünd user acht, veer staht up de Wacht, veer dohn dat stehlen, us kann’t gar nix fählen“. („Wir sind 8 Leute, vier stehn auf der Wacht, vier tun das stehlen, uns kann es an nichts fehlen“).

Vers 9. „De Kuckuck wörr en Ehrenmann, he nöhm nich mehr, as he kriegen kann“. („Der Kuckuck war ein Ehrenmann, er nahm nicht mehr, als er kriegen konnte“).

Vers 10. „De Kuckuck mög geern in’t Uhlenlock stiegen, un dat tinnern Geschirr in’n Kätel lieden. Doch Krögers Mudder ehr Kaffeeputt, de schlög dat Fatt den Bod’n ut“. („Der Kuckuck würde gern in das Eulenloch steigen, um das zinnerne Geschirr in den Kessel zu legen. Doch Krögers Mutter ihr Kaffeetopf schlägt dem Faß den Boden aus“).

Vers 11. „Von Flatthus bit Schülern, sünd dat nich fiel Miel; En Sög un veer Farken, sind dat nich fief Swien“ ? („Von Flachhaus bis Schülern sind das nicht viele Meilen; Eine Sau und vier Ferkel, sind das nicht fünf Schweine“)?

Es sollen noch mehr Verse vorhanden sein, aber es fällt schwer, sie alle zusammenzubringen, denn viele Leute gibt das überhaupt nicht mehr, die noch was von dem Kuckuck wissen. Jetzt will ich nun einmal seine Streiche und Räubereien aufzählen, das heißt, die ich gehört habe. Sie alle zu ermitteln, kann kein Teufel von mir verlangen, dafür gibt es zu viele. Ich möchte die Geschichten numerieren, also bei Nr. 1 geht’s los:

1. Der Kuckuck als Diebesguthändler

Bei Bokelmann in Reimerdingen wurde einmal das ganze Kochgeschirr gestohlen, man weiß nicht von wem. Da dies in der ersten Zeit passiert war, als der Kuckuck noch mehr als Hehler wie als Dieb selbst im Verruf stand, wendete sich der Bauer an den „Kuckuck“, er solle ihm gegen hohe Bezahlung den Dieb namhaft machen, oder noch besser, ihm durch Zauberkünste dahin bringen, das gestohlene Gut wieder an Ort und Stelle zu schaffen. Der schlaue „Kuckuck“ ging auf diesen Vorschlag ein, denn der Lohn, den ihm der Bauer versprach, war fast ebenso viel wert, als das ganze Kochgeschirr. Jawohl mein Junge, sagte der „Kuckuck“, das gestohlene Gut sollst du wiederhaben, aber ich mache zur Bedingung, daß du dich nachts hübsch ruhig verhältst und nicht aus der Schlafkammer (Butze) steigst, wenn es im Haus unruhig wird. Wer war glücklicher als der Bauer, daß er sein Geschirr, das ihm aus Großvaters Zeiten vererbt worden war, wiederkriegen sollte. Als nun die Nacht kam, fing es auf der großen Diele an zu rumoren, aber der Bauer zog die Bettdecke über die Ohren und lag ganz still. Am anderen Morgen, als er zeitig aufstand, ging er sofort in die Küche (Flett) und schaute in den Borden und Regalen nach. Ja, da stand wahrhaftig all sein Kochgeschirr, all die schönen zinnernen und kupfernen Töpfe und Kannen, zinnerne Teller und Krüge, Messer, Löffel und Gabeln und alles was dazugehört in schönster Ordnung an Ort und Stelle. Es war sogar alles blitzsauberblank geputzt. Es dauerte auch nicht lange, da kam der „Kuckuck“ mit einem vergnügten Gesicht und strich das schöne Geld ein, das er in der Nacht verdient hatte, denn er und kein anderer ist es natürlich gewesen, der den Krims- krams des Bauern wieder ins Haus gebracht hatte.

2. Der Kuckuck stiehlt einen Butterkuchenteig

In Garbers Haus in Schülern hatte der „Kuckuck“ schon öfter mal einen Diebesbesuch gemacht. Er hatte leider Gottes so wenig Liebe zu seinem eigenen Dorf, daß er nicht mal seine Mitbewohner verschonte. Also gut. Einmal hat Garbers Frau einen ganzen Backtrog voll feinem Butterkuchenteig zurecht gemacht, denn am anderen Tag sollte Tauffest gefeiert werden. „So, Jan“ sagte sie zu ihrem Knecht, „diesmal wollen wir aber besser aufpassen als letztes Jahr, wo uns der ganze Teig zum Kuckuck ging, aber zum richtigen“. Ich gebe dir ein schönes Unterbett, das legst du auf den Backtrog und dann legst du dich fein darauf und schläfst die Nacht durch in dem Back- haus, wie kein König besser schlafen kann. Wenn der „Kuckuck“ dann kommt und will den Teig stehlen, so soll er wohl mit langer Nase wieder abziehen. Gesagt, getan. Jan nahm sein Bett, legte es auf den Deckel von dem Backtrog und setzte sich auf den einzigen Stuhl der im Backhaus stand. „Verteufelte Geschichte“, sagte er zu sich selbst, „soll man hier die ganze Nacht in so einem Räuberloch von Backhaus zu- bringen, um so einen dummen alten Teig zu bewachen“? Wenn ich man bloß meine Braut, die Fieken, hier hätte, die leistet mir gewiß gerne Gesellschaft, wenn sie man wüßte, wie es mir ging; aber Fleitjepiepen, die ist in Schwalingen und ich bin hier. Der brave Jan schaute so traumverloren durch die blinde Scheibe, die noch allein in dem einzigen kleinen Fen- ster des Backhauses übrig war, daß ihm bald die Lider schwer wurden und sein Kopf auf die Brust sank. „Herrjeh“, sagte er und sprang auf, dann will ich mal zu Bett gehen, besser auf so einem alten Backtrog zu liegen, als hier noch mit dem Stuhl umzu- fallen. „Und gute Nacht, Fieken“, sagte Jan im Halbschlaf und streckt seine alten Knochen aus. „Verdammt hart ist es hier oben“, waren seine letzten Worte und das dauerte nicht lange, da ging das Gesäge los in dem alten Backhaus, als wollen zwei Kerle einen großen Baum absägen. Jan schlief so fest, daß ihn kein Kanonendonner geweckt hätte. Das ist auch nicht so leicht. So ein Knecht muß in der Haupterntezeit viel malochen, bis er seine Knochen nicht mehr fühlte, und abends froh ist, daß er ins Bett konnte. Na gut. Es war wohl eben nach Mitternacht, die Wolken jagten am Himmel, es war sehr dunkel und bloß ab und zu fiel ein kleiner Mondstrahl auf die Erde. Die Eulen schrien und durch die Tannen zog der Nachtwind, daß es einem ehrlichen Christenmenschen erschaudern ließ, der noch nachts unterwegs war. Aber für die Diebe und Komplizen ist so ein greuli- ches Wetter genau das richtige. Als die Glocke 1 Uhr schlug, man konnte es ganz gut hören, weil der Wind von Schneverdingen her wehte, wurde die Tür vom Backhaus leise aufgemacht, denn Jan hatte in seinem Liebesdusel ganz vergessen abzuschließen, und zwei Kerle schlichen sich sachte ins Backhaus. Es war natürlich kein anderer als der „Kuckuck“, der sich einen Helfershelfer mitgebracht hatte, denn allein wollte er den Teufel tun und sich mit dem Teig abschleppen. Gott, was vergnügten sich die beiden, als sie auf dem Backtrog einen Kerl liegen sahen. „Kuckuck“ sein Geselle wollte schon aufgeben, als sein Herr ihn noch am Rockzipfel zu fassen bekam. Willst du wohl hierbleiben, du Dummkopf, du Angsthase, hier sieh an, das ist ja kein anderer als der lange Garbers Jan, der den Teig bewachen soll, das sieht ja sogar ein Blinder ein. Na, da muß ich aber lachen, und der „Kuckuck“ grinst still vor sich hin, einen so bange machen zu wollen. Na warte, Garbers Mutter, du sollst mal sehen, wenn du morgen früh ins Backhaus kommst.

„So Peter“, sagte der Kuckuck zu seinem Kumpan, „du fasst den Jan bei den Beinen und ich unter die Arme, und dann legen wir ihn ganz vorsichtig auf
das Stroh, das da in der Ecke liegt. Die kleine Diebeslampe, die der „Kuckuck“ mitgebracht hatte, setzte er ab, daß er ihn auch sehen konnte, und dann wurde der lange Jan, der ohne Unterlaß sägte und schnarchte sanft auf das Stroh- lager gelegt, daß er auch nicht einmal aufwachte. Bloß als er zum Liegen kam, sagte er im Schlaf : „Schönen Dank, Fieken“. Der gute Jan träumte gewiß, daß sein „Fieken“ ihm einen großen Köhm gegeben hatte. „Jetzt flink bei der Hand, Peter“, stößt „Kuckuck“ seinen Kumpan in die Seite. „Den Teig raus aus dem Backtrog und rein damit in den Sack, den wir mitgebracht haben; dann 
Adschüß, Garbers Mutter. Wie schön der Teig aufgegangen ist, das Bett und der Jan darauf haben ihre Schuldigkeit getan. Peter, was wird uns der Butter- kuchen morgen schmecken“. „Sie säen nicht, sie ernten nicht, und unser Herrgott erhält sie doch“ sagte der „Kuckuck“, denn wenn er gut gelaunt war, machte er gerne Sprüche. Dann zogen die beiden Diebe mit ihrem Teig davon und machten die Back- haustür wieder leise hinter sich zu, damit sie nicht so laut knarren sollte, denn Garbers Mutter hatte sie schlecht geschmiert. Früh am Morgen, der Hahn hatte gerade gekräht, kam Garbers Mutter, um ihren Teig zu holen. Aber kaum war sie in der Tür, als sie wie Lots Frau dastand, die ja wohl, wie die Schrift sagt, zur Salzsäule erstarrte. Der Backtrog offen, der schöne Butterkuchenteig weg und der dumme Jan auf dem Stroh schnarchend wie eine Sägemühle. Was hatte das zu bedeuten ? Eine ganze Weile stand die arme Frau da, und schaute sich das Theater an. Ihr war zu Mute, als wäre sie erstarrt, und das alte Mundwerk, das sonst ging wie eine Klappermühle, schien nun wie festgefroren. Endlich kam Leben in das Steinbild und nun ging es los : „Jan, Jan, kommst du wohl hoch, du verdreiter Kerl, kreischte Garbers Mutter in einem grausigen Ton, daß der arme Jan in die Höhe fuhr als hätten die Posaunen des jüngsten Gerichts ihn geweckt. Es war rein zum Totlachen, was der arme Kerl für ein Gesicht machte, als die dicke kleine Garbers Mutter beide Hände in den Seiten, mit einem puterroten Gesicht vor ihm stand; wie die rächende Nemesis mit dem flammenden Schwert. Augen machte er wie ein unbeholfenes Kalb, und mit so einer Miene glotzte er Gerbers Mutter an, daß sie zuletzt selber lachen mußte. Doch bald verging ihr das Lachen, als sie in den leeren Trog blickte. Jan, Jan, der schöne Teig, jammerte sie. Ich hatte zwanzig Eier rein geschlagen, was fang ich armer Mensch nun an. Den „Kuckuck“ soll der Kuckuck holen, der mir den schönen Teig gestohlen hat. Jetzt geh Jan, hole Weizenmehl, ich will frischen Kuchen backen.

3. Der ehrliche Kuckuck

Als die große Landstraße, die von Celle über Soltau nach Harburg geht, (B3) gebaut wurde, arbeiteten aus Schülern auch eine Menge Leute an diesem Vorhaben. Unter diesen Leuten war auch der „Kuckuck“, der in die- ser Zeit noch mehr von ehrlicher Arbeit, als von Diebstahl und Räubereien lebte, aber so einen gewissen Ruf als Hehler hatte er da schon. Zu der Zeit, als diese Geschichte passierte, arbeitete er und seine Kumpels in der Gegend von Möhr an der Landstraße. Jeden Mittag bekam er seine warme Kost auf dem Möhrshof, denn er hatte sich auf diese Weise in Kost begeben. Sonnabends aber ging er regelmä- ßig mit seinen Arbeitsfreunden nach Schülern, um den Sonntag zu Haus bei Frau und Kindern zu verleben. Das war soweit auch alles gut, aber gut war es nicht, daß jeden Sonntag morgen der Schäfer dem Bauern in Möhr aus dem Schlaf holte mit der Nachricht : „Ach Herr, da fehlt schon wieder ein Hammel“, und immer war es ein gutes Tier. „Ja, das weiß der Teufel“ sagte Möhrmann, so paß doch besser auf, Schäfer, wenn das so weiter geht, dann habe ich bald keine Schafe mehr und dich nicht mehr nötig. Ach, Möhrmannsvater, ich weiß nicht, wie das zugeht, aber das geht sicher nicht mit rechten Dingen zu, wenn da man nicht der Teufel sein Spiel treibt, denn am Aufpassen laß ich es nicht fehlen. Der Hauswirt antwortete nicht, dachte sich aber als welterfahrener Mann, der schon viel mit durchgemacht hat, seinen Teil. Du weißt wieder nicht, Schäfer, welcher Teufel hier im Spiel ist, und kommst mir immer mit dem Untier. Ich sehe wohl, daß ich mir selbst helfen muß, und du wirst sehen, daß die Stehlerei von jetzt an aufhört. Schäfer Claas sah seinen Herrn so schief von der Seite an, als wenn er dachte : Soll er wohl mit dem Leibhaftigen im Bund stehn ? Er sagte aber wieder nix. Na gut. Nächsten Mittag, als der „Kuckuck“ schon gegessen hatte und wieder arbei- ten wollte, nahm der Hauswirt ihn beim Arm und zog ihn ein wenig auf die Seite. „Ein Wort, B……..“, sagte er zu ihm, „dann kannst du an deine Arbeit gehen. Hör mal, mir sind jetzt nacheinander 10 Schafe gestohlen worden, und ich weiß nicht, wie das passiert. Du sollst ja wohl etwas darüber wissen. Ich meine, du verstehst mich ja, du kennst ja wohl auch ein wenig vom Spö- kenkram. Dabei zwinkerte Möhrmann dem „Kuckuck“ so von der Seite zu, als wenn er sagen wollte : „Du weißt es ganz gut, wenn du es willst“. Um seinen Wörtern mehr Ausdruck zu verleihen, steckte er ihm heimlich zwei harte Taler in die Hand. Leise flüsterte er ihm dann ins Ohr : „Sobald der Dieb nicht wieder kommt, kriegst du noch 2 Taler von mir“. Sowie der „Kuckuck“ das Geld fühlte, kam mit dem Gefühl auch gleich das richtige Verständnis. Er schaute den Hauswirt an und lachte ihm zu. Eiligst hatte er sich die Sache überlegt. Er dachte bei sich, 2 Taler hast du, und 2 kriegst du nachher, die dir auch nicht entgehen können; deshalb läßt du das Stehlen nach, denn herauskommen wird es doch irgendwann. Ist gut, Möhrmannsvater, sagte er, und besiegelte es mit Handschlag, als wenn die Amerikaner „all right“ sagen. Du wirst mit mir zufrieden sein, ich will den Dieb so bannen, daß er das Wiederkommen vergessen soll. „Zu Deinem Besten“, sagte der Wirt beim weggehen und : „Du weißt, was ich dir versprochen habe. Der nächste Samstag kam. „Kuckuck“ und „Isenpeter“ gingen abseits ins Holz, wie immer, wenn sie sich von der Trup- pe die den Schülerner Weg einschlug, absonderten, sagte er zu Peter : Mit den Schafen ist das nun vorbei, denn der Bauer hat Wind davon bekom- men und passt diese Nacht selber auf. Mit dem alten Schäfer Claas, dem tranäugigen Kerl, der auf dem rechten Ohr nicht hören und mit dem linken Auge nicht sehen kann, hatten wir leich- tes Spiel; jetzt ist das aber anders. Gesagt, getan. Das Stehlen hörte sofort auf und der Schäfer hatte seit dieser Zeit einen Heidenrespekt vor seinem Herrn. Der „Kuckuck“ aber, der wirklich nichts ahnte, und dachte, daß der Bauer ihn für einen ehrlichen Kerl hielt, schmiss sich in die Brust und sagte zu sich : „Ist doch ein schönes Gefühl, wenn man bei seinen Nächsten so in Ehre und Ansehen steht. Wenn die Leute einen auch für einen Dieb und Hehler halten, das schadet nichts, im Gegenteil“. Möhrmannsvater aber lachte sich ins Fäustchen. Hat ihn doch seine Menschenkenntnis nicht in Stich gelassen. Ja, man muß die schwachen Seiten des Menschen kennen, und die schwache Seite des „Kuckucks“ war sein Ehrgefühl. Ha, Ha, grinste er vor sich hin, schönes Ehrgefühl was der Kerl hat, aber leicht hätte ich auch den Bock zum Gärtner machen können.

4. Der Topf mit Honigsaft

Eines guten Tages hatte der „Kuckuck“ mit einem Bauern in Schülern etwas zu bereden, oder vielmehr, es war nicht mehr heller Tag, sondern schon et- was schummrig. Gerade als die Beiden mit ihrer Klönerei im besten Gange waren, kam mit einem Mal der kleine Kuhhirte in die Stube (Döns) gestürmt : „Bauer, du sollst mal in den Kuhstall kommen hat die Großmagd gesagt, das braune Blessenrind hat sich in der Kette verfangen und droht sich aufzuhängen. Der Hauswirt rannte aus der Stube, das kam dem „Kuckuck“ nun gelegen, denn er hatte schon lange den großen Topf gesehen, der dicht bei ihm im Schrank stand, und der, wie ihm seine Nase sagte, voll Honigsaft war. Riechen konnte der Schlawiner auf eine halbe Meile hin, ebenso das Sehen und Hören, wie es ein richtiger Dieb drauf haben sollte. Na gut, nach Honig stand schon lange sein Sinn, und Marlene, seine Frau hatte ihm erst kürzlich gesagt : „Sieh zu, daß du mal einen Topf mit Honig zu fassen kriegst. Bring mir den mit, versteh’ste; ich habe schon lange so’n Schmacht auf Honig“. Also, was konnte er besseres tun, als diesen Topf mit Honig unter den Arm zu klemmen und damit einfach aus dem Haus zu gehen; der Bauer konnte ja denken, ihm wäre die Zeit zu lang geworden. Dreist muß ein Dieb ja sein, sonst kann er kein Geschäft machen. Als er mit dem Topf zu Hause bei seiner Marlene ankommt, war die Freude groß, aber das Nachspiel sollte bald folgen. Es war noch keine Stunde her, da schlug der Hund draußen an, und als der „Kuckuck“ durch die kleinen Bleischeiben des Küchenraums (Flett) schaute, sah er draußen zwei Kerle an der Seitentür stehen, die er zum Glück zu- geschlossen hatte. Der eine war der Bauer und der andere der Buhrmester (Vorsteher). Ein wenig „Schiß“ hatte der „Kuckuck“ wohl, als er sah, daß sie seinem Diebstahl schon auf der Spur waren; aber jetzt galt es Mut und und Geis- tesgegenwart zu zeigen, wovon ihm Mutter Natur eine ganze Portion mit in die Wiege gelegt hatte. Die Kerle draußen hämmerten an die Tür, ihnen dauerte der Kram schon viel zu lange und der Köter machte einen Höllenlärm. „Aufgemacht B…….“, schrie der Buhrmester in höchsten Tönen, daß sich seine Stimme überschlug, „aufgemacht im Namen des Gesetzes“. „Ja, ja, gleich, Bauernvogt (Buhrvagt), fortsmomento, ich ziehe mir gerade die Hose an, kam die Stimme aus der Stube (Döns). Ganz leise aber sah der „Kuckuck“ nach seiner Frau : Zu, nehm den Topf mit Honigsaft unter die Füße und dann setzt du dich auf den Stuhl und klagst Stein und Bein. Gleich darauf mußte er aber die Beiden draußen her- einlassen. „Was ist denn los, Burvagtsvater“, sagte er so unschuldig, wie er konnte, „brennt es irgendwo“? Ich will dir was, bei brennen, schrie der Bauer giftig, gleich gibst du den Ho- nigtopf her, den du gestohlen hast. Da kam er aber schön beim „Kuckuck“ an. „Was redest du von Honig stehlen, das ist eine Beleidigung, weist du das, beweise mir das erstmal“. „Laß das Jammern“, sagte der Bauernvogt, „und stecke ein Licht an, dann werden wir den Honigtopf schon finden“. Da, was war das ? Es zog mit einem mal so ein geisterhafter Ton durchs Haus, als wenn ein Mensch im Sterben lag, Das klang bald wie ein Wim- mern eines Kleinkindes und bald wie ein schweres Seufzen von einer ge- brochenen Seele. Den Bauernvogt und seinem Begleiter lief es kalt den Rücken herunter, und beide sahen den Kuckuck so ängstlich von der Seite an, als wollten sie sa- gen : „Das spukt doch wohl nicht in deinem Haus“? Der aber blieb ganz kaltblütig, denn er wußte Bescheid. Dann kam das Stöhnen wieder, und es schien aus der Stube (Döns) zu kommen. Als die drei in die Stube gingen, saß da die Frau des „Kuckucks“ wie ein Haufen Unglück beim Ofen auf einem Stuhl und heulte gottserbärmlich. Der Kopf war ihr auf die Brust ge- sackt und mit beiden Händen hielt sie sich den Leib. Sie saß da so krumm wie ein Flitzebogen, daß der Bauernvogt ordentlich Mitleid hatte. „Dir ist wohl schlecht Marlen“, sagte er zu ihr“. „Ach Burvagtsvater, ich geh noch tot, die Füße sind mir wie reine Eisklumpen. Keine Wärmflasche (Füürkiek) will mehr helfen und in der Brust schlägt das immer wie mit ei- nem großen Hammer“. So wimmerte und jammerte das Weib in einem fort, und dann ab und zu wieder so ein grausiger langgestreckter Ton aus der hohlen Brust, wie tief aus dem Grab, daß es nicht mehr auszuhalten war und der Bauernvogt samt seines Begleiters machten, daß sie aus der Stube kamen. „Du, Christoffer“, sagte der Burmester zum „Kuckuck“, „deine Marlene macht das nicht mehr lang, ich habe in meinem Leben noch nicht so einen kranken Menschen gesehen, laß doch einen Doktor holen, ehe das zu spät ist“. So Nachbar, das darf uns aber nicht davon abhalten, unsere Pflicht zu tun, geh mit dem Licht voraus und leuchte überall dorthin, wo ich es dir sa- ge. Aber soviel sie auch suchten und soviel sie auch in alle Ecken und Winkel leuchteten, kein Topf mit Honigsaft war zu finden. „Nichts für ungut“ sag- te zuletzt der Bauer zum „Kuckuck“ und damit schoben die Beiden ab. Als die Schritte der Beiden in der stillen Nachtluft verklungen waren, legte der „Kuckuck seinen Arm um sein Weib und tanzte mit ihr in der Stube um- her aus lauter Freude, daß ihnen der Streich so gut gelungen war. Es dauerte nicht lange, da sangen die Kinder auf der Straße : „Was hat sie unter’m Rock, Marlen ? Einen ganzen Topf mit Honigsaft. Marlene dachte, das wäre ganz leicht, so ein Topf wäre ja wie eine Wärmflasche“. Und haben die beiden ihre Strafe auch sonst nicht bekommen, durch die- sen Spottvers, den sie alle Tage mit anhören mußten, waren sie genug bestraft.

5. Kuckuck und Isenpeter als Schafdiebe

Außerhalb von Schneverdingen standen zu damaliger Zeit mehrere Schafkoben so recht einsam in der Heide. Jeder von ihnen war, wie das auch noch heute üblich ist, von so einem kleinen Kieferngehölz umgeben. Diese Koben waren dem „Kuckuck“ und seinen Freunden so recht zur Hand und wenn Marlen sagte : „Zu, Chris- toffer, übermorgen ist Sonntag, der letzte Hammel ist alle, so wußte er schon was die Uhr geschlagen hatte, und es mußte ein frischer Braten her. Er und sein Busenfreund “Isenpeter“ gingen dann Samstag abends spät, so zu nachtschlafender Zeit nach Schneverdingen und legten sich auf die Lauer, bis es ihnen glückte, einen starken Hammel bei den Hinterbeinen zu packen und mitzunehmen. Unterwegs war der „Kuckuck“, der für gewöhnlich ein säuerliches Gesicht machte, dann froh gelaunt, wo er dann auf das hochdeutsche verfiel und sagte : „Sie säen nicht und ernten nicht, und unser Herrgott erhält sie doch“. Sein Freund „Isenpeter“ war auch ein Hauptkerl. Wenn dem „Kuckuck“ mal unwohl war, was jedoch gewöhnlich selten vorkam, wenn er sich am Hammelbraten voll gefuttert hatte, war dieser „Isenpeter“ sein Stellvertreter, der Generalprokura hatte, wie man zu sagen pflegte. Für gewöhnlich Adjudant, war er dann Hauptmann von der Bande, die aus 8 Taschendieben und Hehlern bestand, wie der Volksmund das alles ausge- dacht und in Versen verherrlicht hat : „Wir sind unser Achte, vier stehen auf Wachte, vier tun das Stehlen, uns kann’s an nichts fehlen“. Die Bauern in Schneverdingen, denen die Schafkoben gehörten, hatten schon länger den Unfug bemerkt, aber sie waren vor dem „Kuckuck“ böse in Schock geraten, und betrachteten den Verlust einiger Schafe als eine Art Zwangsgebühr, um das große Einverständnis mit dem Räuberhauptmann von Schülern aufrecht zu erhalten, denn wie leicht, dachten sie, könnte ihnen der „Kuckuck“ den roten Hahn aufs Dach setzen. Einer von den Bauern dachte darüber ganz anders. Er war ein grantiger Kerl und hatte sich schon fast die Pest an’n Hals geärgert. Er war nicht allein, der dem unverschämten „Kuckuck“ schon 5 Schafe überlassen mußte. „Hinnerk“, sagte er eines Abends zu seinem Schäfer, das ist nun egal. Hier hast du eine geladene Flinte, du wachst heute Nacht mitten unter den Schafen und wenn die Räuber kommen, schießt du los, mag danach kommen was will; ich habe die Stehlerei satt. Der alte Hinnerkschäfer nahm seine geladene Büchse, noch eine von anno dazumal, die die Franzosen in Schneverdingen gelassen hatten, und ging auf seinen Posten. Eine Stunde verging nach der anderen, aber niemand ließ sich sehen oder hören. Dem Schäfer wurde die Zeit zu lang und alle Augenblicke wollten ihm die Augen zufallen. Er hatte nun schon den dritten Kautabak (Priem) ins Gebiss geschoben, um sich wach zu halten, aber nichts wollte anschlagen, es war auch zu langweilig in dem alten Knaben. Da, die Uhr schlug gerade 1 Uhr vom Schneverdinger Turm, regte sich was an der großen Tür, oder war das der Wind, der durch die Fuhren wehte ? Nein, da war wieder das Knarren. Und richtig, die Tür wurde leise, ganz leise aufgemacht. Im schwachen Licht des Kobens zeichneten sich deutlich die Umrisse von drei Kerlen ab. Dem Schäfer schlug das Herz nun doch ein wenig, aber er dachte bei sich, ist man gut, daß du die Büchse hast. Aber drei Kerle ? Er kratzte sich hinter den Ohren. Da, im richtigen Augenblick, die Diebe hatten schon einen fetten Hammel an den Hinterbeinen gepackt und aus dem Koben gezerrt, hatte er eine gute Idee. „Peter, Klaas, Friedrich“, schrie er aus voller Brust, „kommt mal geschwind her und helft mir die verfluchten Diebe zu pa- cken“. Zugleich war er mit ein paar Sätzen aus dem Koben und schoß seine Flinte auf die Kerle ab, die den Hammel losließen und wegliefen. Sie mußten ja annehmen, daß im Koben einige Knechte waren, die sie packen wollten. Einer von den Dieben war wohl getroffen, denn Hinnerkschäfer konnte im Dämmerlicht gerade noch sehen, daß er hinkte. Als er am nächsten Tag die Spuren der Nacht betrachtete, konnte er deutlich eine Blutspur verfolgen, die Richtung Schülern wies. Als er das seinem Herrn berichtete, rieb dieser sich vergnügt die Hände und sagte : „Hier Hinnerk, ist ein harter Taler, du hast deine Sache gut gemacht“.

6. Isenpeter will Hinnerkschäfer tot schießen

Ihr glaubt wohl, daß die Geschichte mit dem Schießen vorbei ist. Ja, das Schafe stehlen hat aufgehört, aber „Isenpeter“ konnte den Schuss nicht verknusen. „Die Sache soll noch ein Nachspiel haben“. Als er mitten in der Nacht in seiner Kate ankam und in seine Stube (Dönz) trat, wachte seine Frau auf, denn die Stubentür knarrte und kreischte mal wieder wie eine Nachteule. Im ungewissen Schein der kleinen Lampe, die vor der Schlafstelle (Butze) stand, konnte sie aber doch sehen, daß ihr Kerl hinkte. „Na, Peter“, sagte sie, und schmunzelte dabei, „hast du keinen Hammel mitgebracht“? Sie wußte ganz genau um seine Diebesehren Bescheid. „Hat sich was mit Hammel“, knurrte Peter und schlurfte näher an die Butze heran. In den ver- wirrten Schäfer ist der Teufel gefahren. Die beste Zeit für das Schafe stehlen ist auch fast vorbei, wir sollten morgen Mittag wieder Pellkartoffeln mit gesalzenem Hering essen. „Herrjeh Peter, was ist das, du hinkst ja“, sagte seine Frau mit einem mal und lehnte sich aus der Butze heraus. „Ach, Tringreth, das hat nichts auf sich, ich habe mir bloß bei dem ungelenken Übersteigen der Wege den Fuß ver- treten“. Dann zog er mit mürrischer Miene wie ein Kettenhund seine Blau- jacke aus. Als er aber seine alte Wollhose (Heidmanchester) abstreifen woll- te, schrie er laut auf vor Schmerzen, denn Hemd und Hose waren durch Blut verklebt. „Peter, Kerl, was hast du nun wieder“ kreischte die Alte und stand kerzengerade vor ihm. Nun hab dich man nicht so, Tringreth, sollst man lieber Obacht auf dein Näh- zeug geben, hab ich mir da doch so ein Ding von Nähnadel in den großen Zeh gerammt. Mensch du armer Kerl ! Na kurz und gut, es war gar nicht so einfach Peter zu versorgen. Mit viel Mühe bekam sie es dann fertig, ihn auszuziehen und aufs Bett zu legen, an Schlaf war aber nicht zu denken. Mit der Zeit machten sich dann auch die Folgen von dem Schuss unange- nehm bemerkbar, denn da Peter nix sagen durfte, um sich nicht zu verraten, hatte er auch nicht den Doktor Ziepolle aus Soltau, der damals allein die Region versorgen musste, kontaktiert. So hat er zeitlebens die Kugel im Hintern behalten und musste im Dorf herum- hinken. Wo er ging und stand, machte sich ein verdächtiger Geruch bemerk- bar, so daß es keiner lange bei ihm aushielt. Das kam von der nässenden offenen Schusswunde. Ungefähr ein halbes Jahr später sitzen an einem ruhigen Herbstabend Hinnerkschäfer mit ein paar Nachbarn und guten Freun- den um das offene Herdfeuer herum, und erzählen allerlei Geschichten. Der Wind heulte und brauste in den Tannen und Eichen, die um die kleine Kate standen, und hatten mit den welken Nadeln und gelben sowie roten Blättern ihr lustiges Spiel. Die Wolken jagten am Himmel, der Regen prasselte gegen die kleinen Bleifenster und draußen war es so finster, daß man seine Hand nicht vor Augen sehen konnte. Es war mit einem Wort ein greuliches Wetter, so daß kein Christenmensch einen Hund aus dem Haus jagen würde. Wer könnte denken, daß in diesem Augenblick und bei so schauderhaftem Wetter ein Mensch um die Kate schleicht, in der Hand ein geladenes Gewehr und das Herz voller schwerer Gedanken. Die Leute im Haus, die so gemütlich um das glimmende Torffeuer sitzen und was von alten Zeiten erzählten, waren sich nix Arges bewußt. Sie saßen da so warm und fühlten sich so geborgen ; derweil der Sturm um das alte wackelige Haus brauste, als wollte er das ganze Dach abreißen. Aber so ein bisschen gruselig war ihnen doch zu Mut, dazu trug auch unter anderem das Erzählen so mancher grausiger Spukgeschichten bei. Die ganze Umgebung war aber auch dazu angetan, diese Stimmung zu er- zeugen. Deshalb kann ich nicht umhin, den Faden von meiner Geschichte et- was länger zu spinnen, indem ich jetzt das Innere eines alten niedersächsi- schem Bauernhauses etwas näher beschreibe. Es paßt jetzt so schön hierher. Also, so ein altes Bauernhaus in Niedersachsen, wir wollen mal sagen, in der Lüneburger Heide oder im Sticht, aber so eines von der richtigen alten Welt, das man unvermutet noch ganz einzeln zu sehen bekommt. Schon bei Tage fällt ein düsterer Anstrich mit der Dreschdiele, den beiden schwarzen eckigen Dachbodenbalken, der geräumigen Diele mit der Feuer- stelle (Flett) und der schwarzgeräucherten Decke voll Ruß (Sott) und den klei- nen in Blei gefaßten Fensterscheiben neben den beiden Seitentüren ins Auge. Aber abends, wenn das glimmende Torffeuer in dem alten Steinherd brannte, und ab und zu mal eine hochschießende Flamme den dunklen Raum so spär- lich beleuchtete, kam doch eine eigene, besondere Stimmung auf, die einem wohlig frösteln ließ von all der Einsamkeit und Dunkelheit. Das mächtige Balkenwerk über dem Herd, der sogenannte Rehm , wo der große Kessel dran hängt, sieht dann mit den beiden Pferdeköpfen am Ende so gespensterhaft aus, besonders wenn die Torfkohle so ein wenig aufgerührt wurde, um dann eine einzelne Flamme so verloren darüberhuschen zu sehen. In so einem alten Bauernhaus ist alles schwarz, alles verräuchert und voll Ruß. Der Torfrauch zieht in Ballen und Schwaden an der Decke entlang, schlängelt sich an den Schinken und großen Speckseiten, sowie an der langen Reihe von Würsten entlang, bis er sich verliert und durch die Missendöhr abzieht. Alles sieht so alt und ehrwürdig aus, selbst die Leute, die dort ein und aus ge- hen, in ihrer selbstgewebten Kleidung und ihre einfachen, stillen Manieren und Gewohnheiten, als gehören sie in eine längst vergangene Zeit. Was noch als Schmuck gelten kann, ist der Fußboden vom Flett, der aus lauter kleinen glatten Kieselsteinen besteht, die hochkant zu kunstvollen Figuren ge- staltet wurden. Diese Kiesel kamen von weit her, von der Seeküste und vom Weserstrand. Eine ähnliche Art findet man auch im Sticht. Dann ist gewisser- maßen auch das Regal an der Herdwand mit den vielen zinnernen Tellern, mit den bunten irdenen (aus Ton gebrannt) Fässern und Krügen ein Schmuck. Ab und an, aber meist ausnahmsweise steckt auch noch im Flettfenster eine bunt bemalte Scheibe. So einfach die Leute in der Heide zum Teil noch leben und denken, so sind sie mit ihren einfachen Sitten und Gewohnheiten und treuherziger Gastfreundschaft doch lieber, als die großschnauzigen Masch- und Kalenberger Bauern, die vor Hochmut über ihre eigenen Beine fallen, weil sie immer die Nase so hoch tragenSo, nun muß ich mich aber wieder nach unserem Hinnerkschäfer umsehen, um meine lieben Leser bitten, von wegen der langen Beschreibung. Also, der alte Hinnerkschäfer erzählte gerade von dem wilden Jäger, den er im letzten Jahr in derJohannisnacht ganz deutlich am Himmel heraufziehen sah, mit dem ganzen Spektakel von Hunden und Jägern. Es war gerade so ein stürmischer Abend wie heute sagte er, bloß nicht so dunkel. Mit einem Mal schreckte der alte Mann mit einem lauten Schrei von seinem strohbeflochteten Stuhl hoch und griff sich mit der rechten Hand an den Kopf. Zur gleichen Zeit dröhnte ein Schuß durch die Kate, daß alle auf- spangen und sich um den Schäfer bemühten, der wie ein Taschenmesser auf seinem Stuhl zusammengesackt war. Er sah so blaß aus wie eine Leiche. Die Pudelmütze war ihm vom Kopf gefallen, und das warme Lebensblut tropfte in großen schweren Tropfen aus den langen grauen Haaren auf seine heid- manchesterne Hose. Wer den Schuß abgefeuert hatte, war ihnen allen kein Rätsel, aber den Mörder zu verfolgen bei diesem Wetter und diese undurch- dringliche Finsternis. Nein, das ging doch nicht. In diesem Augenblick flog die Stubentür auf, und heraus kam ein junges Mädchen, dem Alten seine Tochter. Sie hatte hinterm Ofen gesessen und am Spinnrad gearbeitet. Als sie aber den Schuß hörte, hatte sie vor Schreck das Spinnrad umgeworfen, so flink war sie aufgesprungen. Mit einem Jammerlaut, der den Nachbarn, die ratlos um den Schäfer standen, durch Mark und Bein ging, sank das Mädchen vor dem Alten zusammen, denn die Knie wollten sie nicht mehr tragen. „Vater, Vater“, rief und schluchzte sie in so einem unendlich traurigen Ton, daß den Umstehenden die Tränen in die Augen schossen, „mein herzensguter Va- ter, bist du tot“? Liebevoll legte sie ihren Arm so recht zart um den Alten. Doch er regte sich nicht, und konnte auch keine Antwort geben, denn eine tie- fe Ohnmacht hatte sich um seine Sinne gelegt. „Oh Gott, Leute, helft doch“ , sagte sie, „ist er tot“? Fragte sie wieder und schaute dabei in die Höhe und sah die Nachbarn nacheinander traurig und angstvoll an. Die aber schienen die Sprache verloren zu haben ; sie standen immer noch unter der Einwirkung von dem grausigen Schreck, den ihnen der Schuß von „Isenpeter“ eingejagt hatte. Kein anderer ist es gewesen, der den Schäfer tot schießen wollte. Er wollte Rache üben, wegen des Schusses im Schafkoben. Zum Glück schlug in die- sem Augenblick der alte Mann die Augen auf, denn die Ohnmacht war von ihm gewichen. Sein erster Blick fiel auf seine Tochter zu seinen Füßen. „Meta“, du hier und faßt mich um, was ist denn passiert“? Etwas später kam die volle Erinnerung zurück an die Schreckenstat und mit angstvollem Blick sah er sich nach der Missentür um, die oben noch offen stand. Dann wanderten seine Augen nach der Wand am Herd, wo größere Kalkbrocken herausgefallen waren. „Isenpeter“ kam es halblaut aus der Brust des alten Mannes und weiter nix. Mit dankbarem Blick nach oben faltete er dann seine Hände und sagte so recht traurig und ernsthaft : „Herr Gott, ich danke dir für deinen gnädigen Beistand. Der alte Hinnerkschäfer konnte wohl zufrieden sein mit seiner Vorsehung. Die mörderische Kugel hatte ihn an der rechten Kopfseite gestreift und ein Büschel Haare mitgenommen. Dann war sie in die Herdwand gegenüber gesaust, daß der Kalk nur so spritzte. „Meta, mein Mädchen, sagte er dann, und stützte sich bei ihr ab, laß uns zur Ruhe gehen“. Der alte Mann hatte nun mal dies eine Kind. Seine Meta war sein ein und alles, seitdem seine Frau gestorben war. Sie liegt seit 3 Jahren auf dem Friedhof. „Und ihr, meine lieben Freunde“, wendete er sich an die Nachbarn und gab jedem die Hand, „ihr seid Zeugen gewesen von der verruchten Tat, aber Gott im Himmel hat schlimmeres nicht zugelassen.

Einige Zeit später ging Hinnerkschäfer die Mordgeschichte aber doch tüchtig im Kopf herum. „Wer weiß“, sagte er zu sich, „den Kerl kann so eine dumme Schie- ßerei vielleicht nochmal einfallen und dann bist du geliefert“. Ich will lieber der Gefahr aus dem Wege gehen. Seine Meta fiel ihm vor Freude um den Hals, als er ihr einige Tage später sagte, sie wollen zu Ostern wieder ins Lüneburgsche ziehen, nach dem Sohn seines Bruders. Der hatte einen großen Hof und suchte einen Schäfer.

7. Ein zugereister Fremder in Höllenangst vor dem Kuckuck

Der Wirt des Schülerner Gasthauses war auch ein Ganove und zog an einem Strang mit dem „Kuckuck“. Er mußte wohl seinen Profit davon haben, denn wenn der „Kuckuck“ Schafe gestohlen hatte, so band er sie in der Scheune der Gast- wirtschaft an, bis sie zur passenden Zeit geschlachtet wurden. Eines guten Tages kam in der anbrechenden Dunkelheit ein Fremder in Schülern Zugereiste und stieg beim Gasthaus ab. Als er sein Abendbrot verzehrt hatte, wollte er gern zu Bett gehen, denn er war müde von der Reise, „Mein lieber Freund“, sagte der Wirt zu ihm, „die Betten sind alle belegt, aber wenn du mit einem guten Strohla- ger zufrieden bist, soll der Knecht dir in der Scheune eins fertig machen“. Der Reisende seufzte ein wenig, hatte er sich doch schon auf ein warmes Bett eingestellt. Aber was sollte er anderes tun, weiterlaufen konnte er heute Abend nicht mehr, dazu taten ihm zu sehr die Füße weh. Es dauerte auch nicht lange, da hatte der lange Jan, der Hausknecht des Wirtes war, das Lager in der Scheune hergerichtet. „So Landsmann“, sagte er, „nun ruh dich mal aus, und wenn du morgen früh zeitig aufstehen willst, dann klopfe ruhig an die Tür“. Damit schloß er ab und ging zu seinem Herrn, um den Schlüssel abzuliefern. „Gottverdammt“, sagte der Wirt zu sich, als Jan in der Stube war, und schlug sich an den Kopf, „habe ich doch ganz vergessen, daß heute Nacht der „Kuckuck“ ein Schaf schlachten will, das er gestern in der Scheune angebun- den hat“. Das kann ja eine schöne Geschichte werden, wenn der Fremde das Schlachten mitbekommt. Wenn das passiert, wird der Gast wohl schlafen. So gegen Mitternacht träumte der Fremde. Zwei Räuber wollten ihm ans Leder. Er wehrte sich mit Händen und Füßen und bei dem Gerangel bekam er das Übergewicht und trudelte von dem hohen Strohlager auf die blanke Diele. Dabei war er aufgewacht und kroch wieder auf sein Strohlager. Er wollte auch schon wieder eindusseln, als er sich mit einem Mal fürchterlich erschreckte und die Augen aufschlug. Er hatte so einen laut kreischenden Ton gehört, als wenn ein Schmied mit einer scharfen Feile über ein dünnes Eisenblatt zieht. Als der „Kuckuck“ in die Scheune kam und den Schlüssel in dem alten verros- teten Schloß umdrehte, war dieser Ton zu hören. Es dauerte auch nicht lange, da knarrte die Scheunentür und ein heller Lichtstrahl fiel auf sein Strohlager. Unser Reisender verhielt sich mucksmäuschenstill und tat so, als ob er schlief. Er war neugierig, was die beiden Kerle, die jetzt in die Scheune schlichen, vor- hatten. Er blinzelte ein wenig mit den Augen, um zu sehen, was alles passiert. Als der „Kuckuck“ und „Isenpeter“ , das waren natürlich die beiden, sahen, daß dort ein Fremder auf’n Strohlager nächtigte, bekamen sie einen gehörigen Schreck, zumal der Wirt nichts gesagt hatte. Sie hatten den Scheunenschlüssel genommen, der an bekannter Stelle hing, denn sie hatten ja Hausgelegenheit und wollten das Schaf schlachten, und sahen nun auf einmal einen Kerl in der Scheune, der ihnen am Ende vielleicht den Spaß verderben könnte. Das war ein kleiner Querstrich durch die Rechnung. Aber „was tun“ sagt Zeus ? Der „Kuckuck“ fand seine Geistesgegenwart als erster wieder. „Lass mich man machen“, sagte er zu seinem Kumpanen, „aber leise, daß es keiner hört. Ich glaube, der Kerl ist sehr müde, er hat wohl eine weite Reise hinter sich“. Wenn er fest schläft, können wir den Hammel wohl schlachten. Dabei knöpfte er seinen Rock offen und nahm eine Stopfnadel aus dem Unterfutter. „Was willst du damit machen“, fragte „Isenpeter“. „Oh, ich will mich nur über- zeugen, ob der Kerl fest schläft“. „Ich will ihn nur kurz sticheln. Wenn er das aushält, können wir ruhig ans schlachten gehen“. Dann schlich sich der „Kuckuck“ an den Fremden heran und fing an, die Stopf- nadel ihm hier und da ins Fell zu stecken. Der Reisende hatte eine Heiden- angst. Er hatte das leise Tuscheln wohl mitbekommen, aber nicht verstanden, was sie eigentlich wollten. Der ganze Kram kam ihm verdächtig vor, denn sie hatten bei den Flüstern immer zu ihm hingeschaut, und einmal war auch deut- lich das Wort „Schlachten“ und „Halsabschneiden“ zu hören, wobei der eine Kerl ein langes Messer aus seiner Lederschürze zog und prüfte, ob die Schnei- de auch scharf war. Er vermutete, daß sie ihm nach dem Leben trachteten. Doch als das Prickeln mit der Nadel losging, dachte er bei sich : „Halt, die bei- den haben was anderes im Sinn, sie wollen bloß wissen, ob du auch schläfst“. Bestimmt wollen die hier was stehlen oder sonst was ausfressen. „Na, dann hilft das nichts, dann muß ich die Zähne zusammenbeißen“. Zum Glück hörte der „Kuckuck bald mit dem Gestochere auf, sonst hätte man nicht wissen kön- nen , was noch alles passiert. „Er schläft fast wie eine Ratte“, sagte der „Kuckuck“ zu seinem Kumpanen und rieb sich die Hände. „Siehst du, „Isenpeter“, daß ich recht hatte, man muß das nur kennen mit dem Prickeln. Sticht man zu forsch, so wacht einer auf, und sticht man zu sanft, so hilft das nicht“. So, jetzt können wir den Hammel herholen, einen Zeugen haben wir nicht. Das alte Tier schaut schon so verlangend her, als wollte es sagen, na, geht das nicht bald los ? Wir müssen uns aber jetzt schnell beeilen, denn mit der Jam- merei wegen dem verdrehten Kerl ist uns viel Zeit davongelaufen. Die beiden netten Mitbürger gingen jetzt dabei und schlachteten das Schaf. „Jetzt haben wir doch noch unseren Braten für Morgen, denn Morgen ist Sonntag“ sagt „Isenpeter. Als die beiden weggingen, läßt der „Kuckuck“ noch einmal das Licht auf den Fremden fallen, aber der schlief wie ein Murmeltier. Zeitig am Morgen knarrte der Schlüssel wieder in dem verrosteten Schloß, und der lange Jan weckte den Reisenden, der nun aber wirklich schlief, auf, denn etwas später als der „Kuckuck“ mit seinem Kumpel weg war, hatte er das versäumte nachgeholt. „Na, haben sie gut geschlafen in der kalten Scheune“? fragte der Hausknecht. „Das siehst du ja“, antwortete der Reisende, du hast mich doch eben geweckt“. Als er aber seinen Kaffee getrunken und das Frühstück verzehrt hatte, machte er, daß er aus Schülern weg kam. Der ganze Kram war ihm zu verdächtig vor- gekommen ; er war froh, als er in Sprengel ankam. Dass er, ohne es zu wis- sen die Bekanntschaft mit dem berüchtigten „Kuckuck“ und seinem Kumpanen „Isenpeter“ gemacht hatte, kam ihm nicht in den Sinn. Erst in Soltau, als er bei dem Wirt Oldenburg sein Nachtquartier nahm, wurde er es gewahr. Dieses Wirtshaus stand „up dat Flag“, wo der Holzhändler Lüderitz an der Scheiben – straße, der nun tot ist, gewohnt hatte. Es ist lange alles abgerissen ; zuletzt wohnte dort ein Herr Panning. In diesem alten verräucherten Wirtshaus sind viele Geschichten passiert, worauf ich spä- ter noch mal zurückkomme.

8. Wie es der Kuckuck anfing, zu ernten, ohne zu sähen

Wer ein Ehrenmann ist, dem steht es immer zu, anständig durchs Leben zu kommen. So dachte unser Ehrenmann aus Schülern auch, bloß dass seine Ehren auf einem anderen Gebiet lagen, als wo man sie gewöhnlich suchen würde. Der „Kuckuck“ hatte besondere Ansichten von Ehre. Wenn er mal tüch- tig geraubt und gestohlen hatte, ohne das es herauskam, schmiss er sich in die Brust und sagte selbstgefällig : „Ein tüchtiger und ein geiziger Kerl bist du doch ; jeder Mensch hat seine Ehre, deine Ehre ist es, sich nicht fassen zu lassen“. Nun ja, es ging eben so lange gut, bis die Landdragoner ihn eines Ta- ges beim Genick fassen und ihn ordentlich durchschütteln würden, bis ihm die Ehre aus der Rocktasche fiel. „Der Krug geht so lange zum Wasser, bis er bricht“. „Der „Kuckuck“ mag das Loch nicht mehr leiden, er wollte sich mit ei- nem Knochen den Hals abschneiden“, sang man bald auf den Straßen und spielte und geigte man auf allen Tanzveranstaltungen. Doch das dauerte noch einige Jahre, bis man den „Kuckuck“ hinter schwedische Gardinen in Kost und Logis des Staates brachte. Vorläufig hatte er ein leichtes Leben ohne Sorgen. Wenn im Sommer der Wind so leicht und lind über das hohe Korn strich, daß sanfte Wellen darüber gingen, da stand der „Kuckuck“ , breitbeinig, beide Hän- de in den Hosentaschen, vor seiner Kate und freute sich innerlich. „Sie säen nicht und ernten nicht, und unser Herrgott erhält sie doch“, das war alles, was er aus der Bibel behalten hatte und was ihm bei solchen Augenbli- cken in den Sinn kam. Wenn dann die Kornmäher ins Feld gingen und der hohe Ton vom Sensen schärfen durchs Korn ging, klopfte das Herz des Kuckucks“vor Freude und er lief alle Augenblicke zu seinem Wetterglas, das er von einem Handelsmann erworben hatte, um zu sehen, ob sich das Wetter noch hält. Wenn dann vollends die Arbeit losging und die hochbeladenen Wagen mit dem reifen Roggen durchs Dorf schwankten, dann hielt es der Kerl vor Ungeduld in seiner engen Behausung nicht mehr aus. Dann schaute er mal nach seinem alten, baufälligen Wagen, ob die Rungen noch fest saßen und die Reifen noch nicht abgetrocknet und locker waren. Am anderen Tag schmierte er die hölzernen Achsen wieder, weil er ganz ver- gessen hatte, dass sie erst gestern geschmiert wurden. Er schaute nach dem Zuggeschirr, ob auch alles in Ordnung war. Wenn nicht, dann flickte er es mit einem Strickende und ranzte seine Frau Marlene an, wenn sie sagte : „Du al- berner Kerl, du bist so sonderbar, wenn die Ernte los geht“. „Du dumme Deern“ bekam sie zu hören, „was willst du anfangen, wovon willst du leben, wenn kein Korn im Hause ist“. Er dachte dabei nicht an sein eigenes Korn, denn sein klei- ner Acker war nicht der Rede wert, sondern an den schönen Roggen, der auf den Feldern der anderen Leute wuchs und den er stillschweigend als Zwangs- steuer rechnete, die das Dorf zu entrichten hatte. Wenn das Einfahren beim „Kuckuck“ dann losging, so war das ganz merkwür- dig, was der Kerl doch für ein schlechtes Gedächtnis hatte. Er konnte immer sein eigenes Land nicht finden und fuhr immer den Roggen ein, der auf dem Nachbarstück stand. Oder er wußte es ganz gut, dass er fremdes Korn auf sei- nen Wagen lud. Aber wenn er damit wegfuhr, dann hatten ihn die lichten Augen- blicke schon wieder verlassen, und er konnte beim besten Willen den Weg nicht zum Hause des Nachbarn finden. Natürlich gab er dann den beiden Kühen die Schuld, die keinen anderen Weg kannten, als den zu seiner Kate. So kam er auch mal wieder auf den Acker von Claas Ohm aus Schülern, als es schon dämmerte. Tagsüber fuhr er nicht gern, denn es war ihm peinlich wenn die Leu- te sein geflicktes Zuggeschirr sahen. Er war immer um seinen (guten) Ruf be- müht, das muß man ihm lassen. Also gut, Claas, der immer einer der letzten im Dorf mit dem Einfahren war, und der wegen seines dicken Bauches nicht gern nach seinem Acker fuhr, natürlich nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil der Doktor ihm das Schwitzen verboten hatte ; also diesem Claas hatten seine Knechte berichtet, dass von den vielen Stiegen Roggen schon die Hälfte fehlten. „Gott verdammt“, regte sich der Bauer auf, als er diese Neuigkeit erfuhr. Er zitterte ordentlich vor Wut, aber sogleich beruhigte er sich wieder, hatte der Doktor ihm doch Aufregung verboten, wegen der fetten Leber. „Jochen“, sagte er zu seinem Großknecht, der immer die Mütze auf dem Kopf und die Hände in den Taschen hatte, „du gehst mir vor Abend nach dem Kuh- lenkamp und setzt dich an den Weg und hältst Wache. Wenn dann der „Kuckuck vorbeikommt und will Roggen stehlen, meldest du dich ; dann wird der Kerl das wohl lassen“. Dass du mir aber nicht einschläfst rief der Bauer dem Jochen noch im weggehen zu, denn er wusste ganz gut, dass das Schlafen die schwache Seite des Knechts war. Jochen grunzte sich was in den Bart, was der Bauer nicht verstand und schob ab. Die kurze Pfeife mit dem feinen Porzellankopf, wo „General Blücher“ draufstand, zwischen den Zähnen, die Hände in den Taschen, dampfte er los aus Schülern heraus auf den Weg Richtung Brockhoff. Er dachte viel an den Roggen des Bauern. Wenn er man schlafen konnte, wäre er zufrieden und das könnte er jetzt in vollen Maßen genießen.

Er schüttelte sich ordentlich vor Vergnügen bei dem Gedanken, dass das Schlafen bald losgehen könnte und dann bis morgen früh, so sie ihn in einer Tour in Ruhe ließen. Oh, so ein Zufall, so ein Glück, wie hatte er das verdient. Die Augen wollten ihm jetzt schon zufallen vor Freude. Inzwischen war es schon etwas dämmerig geworden, denn ganz dunkel wird es im August ja nicht mehr, als unser Jochen auf dem „Kuhlenkamp“ ankam. Er schaute sich überall um, nahm seine Pfeife, die auch schon vor Müdigkeit kalt geworden war, aus dem Mund und sagte ärgerlich : „Das beste wäre, wenn der „Kuckuck“ nun bald kommen und mich sehen würde, dann würde er sich schon nicht trauen zu stehlen. Ach, das Wachen, das Wachen ist eine schwere Arbeit. Verdammt, ich will den Teufel tun, und hier wachen. Der Abend ist so schön, die Nacht wird nicht kalt, und ich bin müde, so müde“. Damit kroch der große Schlingel in die Stiege und war dabei so faul, dass er sich nicht einmal umdrehte. So wie er lag, blieb er auf dem Bauch liegen. Aus der oberen Öffnung schauten seine großen Füße in den Holzschuhen aus der Stiege heraus, so dass jeder merken konnte, dass da ein Kerl drin liegt. Das dauerte auch nicht lange, dann ging in der alten Stiege ein Sägen und Schnarchen los, dass die Feldmäuse Hals über Kopf aus den Löchern flohen. Die Sache war gut. Die Zeit verging. Alles war still ringsherum, bloß ab und zu blies der Nachtwächter in Schülern auf seinem großen Ochsenhorn. Da kam ganz sacht im Sand jemand angefahren. Und wer wars ? Der „Kuckuck“ mit seinem eleganten Gespann. „Isenpeter“, den Getreuen, hatte er mitgenommen, damit es schneller ging. „Brr“ sagte er, als sie auf dem Stück angekommen wa- ren, „Na, was hast du denn zu grinsen“, fragte der „Kuckuck“ mit einem mal seinen Adjutanten. Der aber stieß seinem Freund in die Seite, und zeigte auf die großen Holzschuhe, die aus der Stiege ragten. O je, was regte der „Kuckuck“ sich auf. Das brauste man ordentlich aus ihm heraus, platzen müßte die Bombe, ob er wollte oder nicht und wenn auch zehn mal der Jochen darüber aufwachte. „Lach man, was du willst“ sagte „Isenpeter“. Jochen wacht nicht auf. Da hat der Bauer den Bock zum Gärtner gemacht, denn einen schlechteren Wächter als dies große Dusseltier und Träumer hätte er nicht beauftragen können. Na, kurz und gut. Die beiden Diebe ließen sich gehörig viel Zeit und luden eine Stiege nach der anderen auf den Wagen, bis das Feld leer war ; bloß die Stiege, wo der lange Jochen drin vergraben war, ließen sie stehen. Dann fuhren sie gemütlich nach Schülern. Als das Gespann auf der Dorfstraße ankam, verließ dem „Kuckuck“ wieder das Gedächtnis. Anstatt rechts, lenkte er die Kühe links und wie er bei seiner Kate anhielt, war es zu spät. „Na, Claas Ohm“, brummte er in seinen Bart, du kriegst das Fuder Roggen ja wieder, ist ja man nur eine Zwangsanleihe.

„De Kuckuck wörr en Ehrenmann,
he nähm nich mehr as he kriegen könn“ .

(„Der „Kuckuck“ war ein Ehrenmann,
er nahm nicht mehr als er kriegen kann“.)

9. Der Putendiebstahl

Der „Kuckuck“ von Schülern saß eines abends arg verdrießlich in seiner Stube (Döns) am Fenster und schaute durch die blinden Scheiben hinaus. Er dachte an Schniers Buhr in Lünzen, wie er den mal ordentlich ärgern könnte. Der Kerl hatte ihn ja neulich angezeigt, und der Gendarm hatte bei ihm eine Hausdurchsuchung durchgeführt. „Na warte, du alter Hüpfer“, sagte er vor sich hin und nahm die Pfeife aus dem Mund, „es kommt wohl mal wieder anders rum, ich will dir was mit anzeigen“. Währenddessen kommt seine Frau in die Stube und hat ganz verweinte Augen. „Na, Marlene, was fehlt dir denn, du siehst ja aus als wäre dir die Petersilie verhagelt“. Ach, Hinnerk, du hast gut reden, der Fuchs hat gerade unsere besten Puten weggeholt“. „Was sagst du da“, schrie der „Kuckuck“ und sprang auf : „Da schlag doch einer lang hin“. Doch mit einem Mal glitzert das so eigenartig in seinen Augen, und mit einem listigen Blick kam er auf seine Frau zu, als wäre er selber der Fuchs. „Hör mal, Marlene, der Schaden kann kuriert werden, wenn du morgen früh die Puten fütterst, sind sie bestimmt wieder da“. „Du Dummkopf, schnack mir doch kein Loch in Kopf ; meinst du, dass der Fuchs sie wieder bringt“? „Na, du wirst schon sehen“, sagte Hinnerk und ging aus der Stube. Umgehend ging er in seine Kammer, schmiss die großen Holzschuhe, die er anhatte in die Ecke und zog seine Stiefel an. „Das ist wegen des Laufens, wenn uns jemand verfolgen sollte“, brummte er in den Bart. „Nun geschwind nach Peter und dann hin zu Schniers Buhr nach Lünzen ; der Kerl wird Augen machen, wenn er morgen früh aufsteht und sei- ne Puten sind weg. „Ha, Ha, Ha, lachte der „Kuckuck“ lauthals, daß eine Eule, die in der Fichte saß, sich aufplusterte und wegflog. Wird wohl ein Hauptspaß, und Marlene kam mir gerade Recht mit ihren Puten. Nun kann ich doch dem Schniers Buhr einen auswischen, der nicht von schlechten Eltern ist. Mittlerweile kam er an „Isenpeters“ Kate an, und als der ihn sah, wußte er auch schon was die Uhr geschlagen hatte, denn ohne Grund schlich sich der „Kuckuck“ nicht spät im Dunkeln zu seinem Kumpanen ; irgend so ein kleiner Raubzug war immer im Spiel. „Hör mal, Peter“, sagte Hinnerk, und setzte sich auf einen von den morschen Binsenstühlen, „du kannst heute Nacht wohl mit nach Lünzen gehen, nach Schniers Haus, ich habe einen Groll auf den Kerl und ihm eine Steuer auferlegt“. „Von Geld“? „Nee, von Puten“, sagte der „Kuckuck“. „Wenn wir genug fangen, kannst du welche abkriegen. „Schläge meinst du wohl, denn Schniers Buhr und sein großer Jochen wollen uns wohl das Fell versohlen“. „Hab man keine Angst, die beiden sind heute beim Schaf- handel und im Haus sind heute Nacht bloß die doofe Tringret und der kleine Schäferhannes“. Die beiden Kumpanen machten sich auf den Weg, und waren in anderthalb Stunden vor Ort. Die Uhr vom Schneverdinger Kirchturm schlug gerade volle Stunde. Er waren zwölf langsame Schläge, die feierlich durch die stille Nacht zu den beiden rüberklangen, die da auf schlechten Wegen wanderten und sich am Gut des Nächsten vergreifen wollten. Aber das rührte die beiden hartgesottenen Sünder nicht. „Kuckuck“ voran und „Isenpeter“ hinterher, krochen sie durch die Schweinestallklappen ins Haus und schlichen sich wie die Füchse an die Puter heran, die mitten zwischen den Hühnern nichtsahnend auf der Stange saßen.

„Du hältst die Tür zu“ sagte „Kuckuck“ zu seinem Begleiter, „ich stecke währenddessen die Puter in den Sack“. Ja, ja, jaaa, „Isenpeter“ wollte wohl die Tür von innen zuhalten, aber er konnte nicht ahnen, dass Schniers Buhr seinen Schafbock im Hühnerstall eingesperrt hatte. Als er die Tür anzog, machte der Bock einen Satz und stieß ihm die Hörner in den Leib, dass er mitsamt der alten wackeligen Tür weit auf die Diele flog. Das war nun ein großes Durcheinander für den „Kuckuck“. Er griff hier mal hin und dort mal hin, weil die Hühner und Puten teils um ihn herumflogen, teils aus dem Stall herausliefen. Das gab ein Getöse und Gegacker, ein Kluckern und Gepluster ab, dass dem „Kuckuck“ Hören und Sehen verging. Er tat, was er konnte, aber statt 20 Puten, wie er dachte, bekam er nur vier zu fassen, die anderen waren alle auf den Boden geflogen. „Komm Peter“, sagte er zu seinem Kumpanen, der gerade aufgestanden war und sich das Kreuz rieb, „das Spiel ist aus, laß uns nach Hause gehen. Wer konnte auch wissen, dass Schniers Buhr seinen Schafbock in den Hühnerstall sperren würde“. Bald darauf machten die beiden sich auf den Rückweg. „Kuckuck“ trug die vier Puten im Sack und „Isenpeter“ humpelte hinterher. Die doofe Trigret ist nichts gewahr geworden und Schäferhannes hatte sich unterm Bett versteckt.

10. Der Kuckuck von Schülern sägt einen Wagen entzwei

Der Donnerkerl von Hinnerk, genannt „Kuckuck“ hatte nicht viele Freunde. Das ging auch ganz natürlich zu ; denn wie kann man jemanden zum Freund haben, vor dem man nachts mit gehörig Respekt oftmals nicht ruhig schlafen konnte. Stehlen und Rauben und Streiche aushecken ist nicht jedermanns Sache. Es lebte in Brockhof, ein Dorf das nah bei Schülern liegt, ein Häusling namens : „Der lange Jan“. Er hatte seinen Namen wegen seiner ungewöhn- lichen Größe bekommen. Auf den hatte der „Kuckuck“ einen mordsmäßigen Groll, weil Jan ihn mal beim Gendarmen angeschwärzt hatte. Als er eines abends vor seiner Kate stand, und die kurze Pfeife rauchte, gin- gen ihm viele Gedanken durch den Kopf, wie er den langen Jan einen Streich spielen konnte. Sollte er ihm sein Geld wegnehmen, was in der Lade lag, oder ihm den Roggen vom Feld stehlen, wo die Getreidehaufen (Hocken) jetzt so schön trocken waren, oder was sollte er tun. Aber das gab es schon alles. Es sollte was besonderes sein, was er „ausfressen“ wollte. Mit einem Mal schlug er sich aufs Knie, ihm war was apartes eingefallen. Häusling Jan mußte ja diese Tage Roggen fahren, und wenn dann der Wagen defekt wäre, das gäbe einen großen Spaß, natürlich für ihn, nicht für den Jan. Sein Freund „Isenpeter“ sollte dabei sein, und schon diese Nacht sollte es los gehen, denn aufschieben ließ sich die Sache nicht, weil Häusling Jan vielleicht schon morgen mit der Arbeit fertig werden würde. Zwei Stunden waren es noch bis zur Schlafenszeit. So lange saßen Peter und er noch zusammen und erzählten sich was von ihren gemeinschaftlichen Fahr- ten, und wie sie heute Nacht dem Häusling in Brockhof seinen Ackerwagen zersägen wollten. Ängstlich waren die beiden Schurken nicht, sie schreckten vor keiner Übeltat zurück. Ihre Frechheit kannte keine Grenzen; das kam aber von der Schlauheit, womit sie den Gendarmen jedes mal überrumpelten, wenn er mal eine Hausdurchsuchung machte. Sie kamen jedes mal ungeschoren davon. Da dachten die Leute zuletzt, die ganze Diebesbande hätte mit dem „Leibhaf- tigen“ ein Bündnis geschlossen. Nun gut. Die Uhr war elf, die ganze Welt hat sich zur Ruhe begeben. Das hieß auf dem Lande, besonders in der Erntezeit, dass sich jedes Christenkind freut, wenn es um neun ins Bett gehen kann. Zwei Stunden hatten die Leute also schon geschlafen, und der erste Schlaf ist der tiefste, da kamen die beiden bösen Kerls in Brockhof vor Häusling Jans Kate an. Der Kuhwagen, dem sie ans Leder wollten, war draußen nirgends zu sehen. „Schadet nichts“, sagte der „Kuckuck“, „dann machen wir das im Hause, auch wenn der lange Jan aus dem Stubenfenster schaut, brauchst du ihm nur zu dro- hen, dann weiß er schon Bescheid. Er ist ja sowieso ein altes Weib und vor Schläge hat er Angst. Die beiden Gauner wollten nun ins Haus, aber das war wohl nichts. Alle Türen und Fenster waren zu, selbst die Schweinestallklappe war von innen zugeriegelt. „Hab ich das nicht gesagt, dass er ein altes Weib ist“, sagte „Kuckuck“, „ihm war wohl schon ängstlich vor dem Besuch“. „Schau mal oben rauf“ rief Peter, „ist da nicht die Bodenluke offen“. „Wahrhaftig“, sagte „Kuckuck“, „Jan hat heute Abend beim Heu holen die Luke offen gelassen“. Na, nun man geschwind die Leiter her, das kommt uns gerade recht. Zum Überfluss sahen die beiden auch noch eine Leiter draußen liegen, womit sie ganz bequem auf den Boden und von da ins Haus auf die Diele kamen. Jeder der beiden Räuber hatte einen „Fuchsschwanz“ (Säge) mitgebracht, so ein Werkzeug, mit dem man die Obstbäume aussägt. Jetzt dauerte es nicht lange, da ging ein Sägen los, als wenn sich in der alten Häuslingskate ein Tisch- ler eingerichtet hätte, der des Nachts vor lauter Arbeit nicht in den Schlaf kom- men konnte. Der arme Jan schaute auch bald aus dem Kammerfenster heraus, wie man merken konnte, denn die kleine Gardine bewegte sich alle Augenblicke. Aber mucksmäuschenstill ging er wieder zurück, denn „Isenpeter“ hatte ihm mit der großen Faust gedroht und da wusste er Bescheid. Unterdessen sägten die beiden Gauner und sägten darauf los, bis alle Felgen und Speichen kaputt wa- ren. Den Drehschemel und die Achsen ließen sie auch nicht heil. Die Achsen sind ja aus Eisen, werdet ihr sagen. Na, das weiß man nicht genau, sie waren zu damaliger Zeit aus Holz. Als sie ihr schönes Werk vollendet hatten, gingen sie wieder nach Hause, aber nicht denselben Weg über den Boden, sondern einfach durch die Seitentür, die sie aufschlossen. So, jetzt kann Jan so viel Roggen holen, wie er will. Der arme Häusling jammerte unterdessen und weinte bittere Tränen. Er hatte aber nicht soviel Mut, die Sache anzuzeigen, so einen Schock hatte er bekommen.

11. Der Kuckuck mäht ein Kartoffelfeld bei Lieste ab.

Der „Kuckuck“ hatte eine ganze Reihe von Bauern, mit denen er nicht „grün“ war. Der eine hatte ihm dies, der andere das in den Weg gelegt. In diesem schwarzen Buch stand auch der Liester Bauer. Weshalb der „Kuckuck“ nun ge- rade auf diesen einen Groll hatte, ist nicht herausgekommen ; Genug, er war sehr giftig auf ihn zu sprechen. Eines Abends saß er verdrießlich in seiner Stube, und grübelte so vor sich hin, welche von seinen guten Freunden er einen Schabernack spielen könnte. Der Liester Bauer sollte zuerst dran sein, und schwupps schlug er sich mit sei- ner Faust auf die dreckige Hose. „Ich habs“, sagte er und machte dabei ein Ge- sicht wie Kolumbus, als der Amerika entdeckt hatte. Dabei grinste er hämisch vor sich hin. Was der Bauer wohl für Augen macht, wenn er morgen früh seine Kartoffeln wieder beschaut, wie er es fast jeden Tag macht. Es war keine leichte Arbeit von einem Feld von anderthalb Morgen das Kartoffelkraut abzumähen, nein wahrhaftig nicht, aber „Rache ist süß“, hat mal einer gesagt, der kein Dummkopf ist. Der „Kuckuck“ nahm die Sense von der Wand, die er sich vorige Woche zwangs- weise von Schroers Buhr in Lünzen geliehen hatte, und machte sich auf den Weg zur Liester Höhe. Es schlug gerade 11 vom Schneverdinger Kirchturm, als er ankam, und nun wollte dieser unheimliche Mensch sich zu nachtschlafener Zeit an seines nächs- ten Eigentum in einer schändlichen Weise vergreifen. Der Liester Bauer hatte gerade an diesem Feld Kartoffeln seine besondere Freude, weil sie so üppig standen und so voll blühten. Der „Kuckuck wartete nicht lange, und ging ans Werk. Die Sense war scharf, das Kraut das fiel und die vielen blauen Blumen mussten ihr Leben hergeben. Der Kerl arbeitete, dass ihm der Schweiß vom Leib tropfte, was nicht oft bei ihm vorkam, aber er war noch nicht halb fertig, als er nicht mehr konnte und die Sense hinschmiss. Hätte ich nicht gedacht, dass es so schwer gehen würde. Wie sah nun das schöne Feld aus, gerade als wenn der böse Feind darin gehaust hätte. Der „Kuckuck nahm seine stumpfe Sense auf den Nacken und schob ab zu seiner Kate. Einmal schaute er sich noch mal um, und grinste höhnisch in sich hinein.

12. Der Kuckuck stiehlt einen Pflug, als er eben aus dem Gefängnis kam.

Viele Jahre ist das nun gut gegangen mit all dem Stehlen und Räubereien, aber zuletzt ging es, wie das Sprichwort sagt : „Der Krug geht so lange zum Wasser bis er bricht“. Eines guten Tages bekam der Landrüter Watermann aus Schne- verdingen unseren Kuckuck beim Kragen zu fassen und brachte ihn hinter die „schwedischen Gardinen“ in Rotenburg. Da saß er nun, und konnte über sein Schicksal nachdenken. Vier Monate waren es, die das Gericht ihm aufgebrummt hatte für all seine Freveltaten, lange nicht genug, aber während dieser Zeit hatte das Kirchspiel Schneverdingen Ruhe und Frieden, und die Bauern brauchten nachts nicht zu wachen aus Angst, dass ihnen was gestohlen wird. Der „Kuckuck“ hatte seine Zeit noch nicht halb abgesessen, da war er seines Le- bens auch schon überdrüssig. Immer einen Tag nach dem anderen trocken Brot und Wasser, das war nix. Er dachte mit Schmacht an die schönen Hühner und Puten, die er mit nach Hau- se gebracht hatte. Seine Frau Marlene hatte sie gebraten und zurecht gemacht. Er dachte auch an den fetten Pfannkuchen von 10 Eiern und 1⁄4 Pfund Speck, und so wenig Mehl dazu, dass Marlene sagte : „Kerl, wie kannst du das vertragen“. So kam es dann, das er eines Tages am Sonntag Mittag, als er ausnahms- weise mal Knochensuppe gab, sich eine alte Rippe nahm und so nachdenklich betrachtete, „Tu, schneide dir die Kehle damit ab“, sagte der Schwarze, der hin- ter ihm stand, „dann bist du von deinen Leiden erlöst“. „Ist ja was zum lachen“, sagte sein Verstand, „mit so einem stumpfen Knochen willst du dir den Hals ab- schneiden“? „Geht nicht“. So blieb das dann dabei, denn ein Messer oder ein anderes scharfes Geschirr bekamen die Gefangenen nicht.

Bloß ein Spottvers kam danach : 

„De Kuckuck mög dat Lock nich mehr lieden, he woll sick mit’n Knaken den Hals afsnieden“.

(„Der „Kuckuck“ mochte das Gefängnis nicht mehr leiden, er wollte sich mit einem Knochen den Hals abschneiden“.)

Als der „Kuckuck“ seine Zeit abgesessen hatte, machte er sich auf den Weg nach Schülern. Er war aber gerade 2 Stunden gegangen, da kamen ihm seine Diebesgelüste wieder in den Sinn, als er so einen kleinen niedlichen neumodi- schen Pflug auf dem Feld stehen sah, womit der Bauer ein Stück gepflügt hatte. Die Mittagszeit war fast vorbei und der Bauer könnte jeden Augenblick mit sei- nem Gespann wiederkommen, um weiter zu pflügen, aber daran dachte der „Kuckuck“ nicht. Ihm stach bloß der Pflug ins Auge. So ein niedliches Ding hast du noch nie gesehen, und so leicht, den kannst du wahrhaftig mit nach Hause kriegen. Ohne sich zu besinnen, lud er sich das Ding auf die Schultern und schob ab. „Halt, halt“, schrie da eine Stimme hinter ihm her, „haltet den Dieb“. Der „Kuckuck“ schaute sich schnell um und sah einen Kerl auf sich zu kommen, ganz puterrot im Gesicht vom schnellen Laufen. „Verdammter Kerl“ schrie er, willst du wohl gleich den Pflug wieder hinbringen, wo du ihn hergeholt hast, das andere findet sich. Der „Kuckuck“ war so verdutzt, dass er kein Wort zu sagen wusste und kehrte um, der Bauer immer hinter ihm. Als der „Kuckuck den Pflug wieder an Ort und Stelle geschleppt hatte, wollte er sich empfehlen. So haben wir nicht gewettet, schrie der Bauer, und kriegte unseren lieben „Kuckuck“ im Nacken zu fassen. „Ich will dir das Stehlen abgewöhnen“, und ohne Umschweife bekam der „Kuckuck“ den Pflugstock zu spüren, dass er Ach und Weh schrie. Der Bauer, ein starker Kerl, der dem „Kuckuck“ wohl überlegen war, ließ aber nicht los, sondern fing immer wieder von neuem an zu schlagen, bis er den Dieb als tot liegen ließ. Dann pflügte er sein Feld ruhig weiter. Als er sich eine halbe Stunde später wie- der umsah, konnte er ganz weit auf der Landstraße einen Kerl humpeln sehen. Es war der „Kuckuck, der diese Lektion in seinem Leben nie vergessen hat.

13. Die Schlauheit hilft dem Kuckuck nichts

Erstmal war es rein zu leicht mit der Stehlerei im Kirchspiel geworden. Zweimal in der Woche beklagten sich die Bauern beim Amtsvogt in Schneverdingen, dass ihnen was abhanden gekommen ist, sie wussten aber nicht wie. Dem einen fehlen 2 zinnerne Schüsseln, dem anderen 6 zinnerne Teller, die sei- ne Frau zur Hochzeit bekommen hatte. Krögers Mutter aus Insel weinte bittere Tränen. „Ach, Amtsvogtsvater“ sagte sie, „sieh doch zu, dass ich meinen schö- nen blanken Kaffeetopf mit dem Namen meiner Patin wiederbekomme und den Krug mit dem Vers : „Es lebe mein Liebchen“. Wer soll das anders gestohlen haben, als der „Kuckuck“. Als sich nun immer mehr beschwerten, sagte der Amtsvogt zu seiner Frau . „Mathilde, es hilft nichts, ich muss bei dem „Kuckuck“ eine Hausdurchsuchung machen, denn unser Landdragoner Watermann ist schon vier Wochen krank, wie du weißt“. Na gut, zwei Tage darauf kamen der Amtsvogt und der Burmeister von Schülern bei dem „Kuckuck“ an. Er wunderte sich nicht schlecht, tat aber so unschuldig wie ein neugeborenes Kalb. „Es ist mehrfach bei mir angezeigt“, sagte der Amts- vogt, „dass den Leuten zinnernes Geschirr und andere Sachen weggekommen sind, darum will ich hier mal eine Hausdurchsuchung durchführen“. „Kann ich nichts gegen machen, Herr Amtsvogt, unschuldige Leute müssen viel leiden in dieser Welt“. Nun war alles durchsucht, Döns, Butzen und Schränke und alle Ecken, aber nix wollte sich finden, bis zuletzt der Amtsvogt nach oben schaute und ganz oben in den Hahnenbalken so ein merkwürdiges Ding zu se- hen bekam. „Was ist denn das da“, sagte der Vogt zu B………, „das sieht ja wie ein Kessel aus, der gehört doch nicht in die Hahnenbalken. Hole das Ding mal runter, und du Burmeistervater, faß mal mit an“. Der „Kuckuck“ bekam das Zittern, sagte aber nichts. „Verdammt, ist der schwer“, sagte der Bauernvogt, als der Kessel auf der Diele stand. Kinder und Leute, was kam da alles zu Tage, als der Amtsvogt den Deckel abnahm : Löffel und Messer, Gabel, Teller und Schüsseln, Krüge und Taschenuhren, Meer- schaumpfeifen mit silbernen Deckeln und Tabaksdosen, goldene und silberne Brautmützen, Kaffeekannen und Teetöpfe und was nicht alles. „Na B………., was sagen wir denn nun. Dabei schaute der Amtsvogt dem „Kuckuck“ steif in die Augen, der blieb aber ganz kaltblütig und schmiss sich in die Brust : „Herr Amts- vogt, was bleibt mir anderes übrig, es wird hier im Kirchspiel ja so viel gestohlen, als all mein Kram aus der Erbschaft in den Hahnenbalken zu verstecken, da findet so ein Dieb das nicht so leicht. Auf Krögers Mutter aus Insel ihren Kaffee – topf und ihrem Krug mit dem schönen Vers : „Es lebe mein Liebchen“, fiel der Vogt ihm ins Wort. Das Ende vom Lied war, dass Burmeister unseren „Kuckuck“ mit nach Schneverdingen nahm, von wo er ins Gefängnis nach Rotenburg kam. Am anderen Tag sangen die Jungs auf den Straßen :

„De Kuckuck mög geern in’t Uhlenlock stiegen, Un hat tinnern Geschirr in’n Ketel lieden.

Doch Krögers Mudder ehr Kaffeeputt, De släg dat Fatt den Bod’n ut“.

(„Der „Kuckuck“ möchte gern in das Eulenloch steigen, und hat zinnernes Geschirr im Kessel liegen.

Doch Krögers Mutter ihr Kaffeetopf, der schlug dem Fass den Boden aus“.)

14. Der Kuckuck stiehlt eine Sau mit vier Ferkeln

Der Bauer aus dem „Flachhaus“ in Surbostel hatte eine feine Sau mit vier glatte Ferkel. Die waren gerade 10 Wochen alt, und der Bauer wollte sie nächste Woche verkaufen. Als die Magd morgens füttern will, ist der Stall leer. „Bauer, komm mal schnell hierher, die Sau mit den Ferkeln ist weg“. Dumme Deern, wieso sollen die weg sein ! Suche sie mal im Garten oder sonst auf dem Felde“. Ji ja, ji ja, die Schweine blieben verschwunden. Wenn der „Flachhaus“ Bauer abends vorher von Schülern gekommen wäre, so hätte er wohl gewusst, wo seine Schweine geblieben wären. Er hätte dann einen Mann angetroffen, der gemütlich eine Sau mit 4 Ferkeln vor sich hintrieb, geradewegs auf Schülern zu. Als er nun verdrossen in den leeren Stall sah und zu seiner Mutter sagte : „Das hat sicher wieder der „Kuckuck“ ausgefressen, da kam sein guter Freund, der „Seehorst Buhr“ von Heber auf ihn zu, klopfte ihm auf die Schultern und grinste : „Was du denkst, das weiß ich“. „Zum Teufel, Johann, das weißt du „? „Wer weiß, Karl, zieh deine Jacke an und dann geht das augenblicklich nach Schülern“. Wir wollen dem „Kuckuck“ mal die Hölle heiß machen. Unterwegs will ich dir die Sache erzählen. Als wir gestern Abend von „Ahrens Buhr“ in Wiekhorst, die Tauffeier hatten, weggingen, war es stockdunkel. Eben hinterm Busch begegnete mir ein Kerl, der Schweine vor sich her trieb. Sehen konnte ich nichts, aber ich hörte das am Grunzen. „Na, guter Freund, wo kommst du denn her“? „Ach, ich komm von Bispingen, das sind 5 Meilen von hier, mit 5 Futterschweinen, und die sollen nach Schülern ; bin ich hier auf dem richtigen Weg, es ist mir dunkel geworden bei dieser Sache“? „Ja, geh man immer geradeaus, dann bist du in einer halben Stunde da“. „Schönen Dank auch“. Damit trieb er weiter. Ich weiß wahrhaftig nicht, was das für ein Kerl gewesen ist. Zeitig am frühen Morgen hatte unsere Häuslingsfrau schon gehört, dass deine Sau mit den 4 Ferkeln weg war. Ich dachte gleich an den „Kuckuck“ und lief hier her. So ist es gekommen. Als die beiden in Schülern ankamen, nahmen sie den Bauernvogt mit. Der „Kuckuck“ dachte an nichts Böses wie die drei in die Stube eintraten. Er saß hinterm Sülzenkopf und kaute mit vollen Backen. Seine Frau war bei ihm. Zu, Marlen schenk einen Schluck ein, die Leute sind von weit her. „Na, B…….., sagte der Vogt, die Leute sind von Surbostel und Heber und wollten mal fragen, ob eine Sau mit vier Ferkeln in deinen Stall gelaufen sind“ ? „Ha, ha, ha“, lachte der „Kuckuck“, und es fehlte nicht viel, dann wäre ein Stück Sülze in die verkehrte Kehle gekommen. „Das ist ja niedlich, schaut doch nach im Stall, meint ihr, das ich deshalb aufstehe“? Na, was wurde davon ! Keine Sau und keine Ferkel fanden sich, und die beiden mußten wieder gehen. Am Sonntag darauf war Tanzmusik beim Köter in Reimerdingen. Die Musikanten spielten und die Leute tanzten nach dem Takt :

„Von Flachhus bet Schülern, sind dat nich fiev Miel, Een Sög un veer Farken, sünd dat nich fiev Swien“

(„Von Flachhaus bis Schülern, sind das nicht 5 Meilen, Eine Sau und 4 Ferkel, sind das nicht 5 Schweine“).

Der Spott liegt darin, das von Flachhaus bis Schülern bloß eine gute Stunde ist und keine 5 Meilen, und das 5 Futterschweine in der Zahl so viel sind, wie eine Sau und 4 Ferkel.

Geschichten von Heidrun Bosselmann mit hochdeutscher Übersetzung

Mit dem Einverständnis von Heidrun Bosselmann , geb. Küsel möchten wir

die von ihr im Beiblatt der Böhme-Zeitung („Der Niedersachse“) auf

plattdeutsch veröffentlichten Schülerner Alltagsgeschichten 

( hochdeutsche Übersetzung vom Chronisten Peter Hillmer )  

zur Verfügung stellen                         

Heidrun ist Ende der 50er Jahre im Hökerhandel-Haus (alte Haus-Nr : 21)    

in Schülern geboren. Die Schulzeit in der Schülerner Grundschule

(u.a. Lehrerin Uhrig u. Lehrer Poppe) und Einkaufen 

im Einkaufsladen („KLostermeyer“)hat sie aktiv erlebt.

 

Aftöven von Heidrun Bosselmann

Nu sitt ik hier un tööv up em – den Kuckuck. Düsse Vagel, de sik in‘n Harvst up makt na Afrika hin un in‘n Fröhjohr wedder kummt, is wat Besonners för mi.

Nich blot dat he sik goot verstickt, sien egen Naam kennt un sien Kinner vun anner Vagels upteihn lett, ne, mi dünkt dat dat kuum‘n annern Vagel gifft, de dat so wiet brocht as he.

All de Lüttsten freit sik över‘t Kuckuck spelen, he warrt in‘n ganze Reeg vun Kinner- un Volksledern besungen, dat gifft Gedichte, Geschichten, Sprickwöör un Buernregeln över em un düt Johr hett he an‘n 14. April sienen Kuckucksdag hatt. Mit veel Gedüer lett sik‘n Kuckucksstohl flechten, de Upklever vun‘n Gerichtsvollzieher driggt sienen Naam und sien Klocken, de Kuckuck ropt, sünd in‘e ganzen Welt bekannt. Nu bin ik je in Schüllern upwussen un dor geev‘t lang vör mien Tiet‘n ganz annern Kuckuck, de weer ok oorig bekannt.

So üm 1850 rüm leev dor‘n Keerl, de harr een lütte Kaat un nich veel Lust to’n arbeiden. Üm över de Runnen to kamen töög he nachts mit sienen Fründ Isenpeter los un se halen anner Lüüd weg, wat‘n so to’n Leven bruken dee. Rongen, Puten, Göös, Swien, Schaap, Honnig, Bodderkokendeeg un wat‘s sünst noch kregen künnen.

De Dörpslüüd harrn em den Binamen „Kuckuck vun Schülern“ geven. He weer gewitzt un paß goot up, dat‘s em nich to faat kregen deen. All weren bang för sien Leegheiten un dat Dörp harrn‘n teemlich slechten Roop.

1913 hett de oole Veehdokter Ehlers ut Soltau över‘n poor vun sien Rövereen‘n plattdüütscht Book schreven, dor staht ok eenige Vers vun‘t Spottleed in, dat de Lüüd över sien Schandtaten singen deen.

Dat Theaterstück is all‘n poor Mol to‘n Besten geven worrn un in‘e 1970er-Johrn hett de Böhme-Zeitung de Geschichten afdruckt. 2017 hebbt de Schüllerner dam Kuckuck‘n Denkmal an‘e Lütten Straat sett. Goot, dat de Kuckuck dat nich tiedlevens all wüsst hett, sünst harr düsse Spitzboov villicht noch veel mehr Töög makt.

 

 Abwarten – Von gestern und heute auf Platt(deutsch)

Nun sitze ich hier, und warte auf ihn – den Kuckuck. Dieser Vogel, der sich im Herbst nach Afrika aufmacht und im Frühjahr wieder kommt, ist was besonderes für mich.

Nicht nur, dass er sich gut versteckt, seinen eigenen Namen kennt und seine Kinder von anderen Vögeln aufziehen lässt, nein ich denke das es kaum andere Vögel gibt, die es soweit gebracht haben wie er.

Schon die Kleinsten freuen sich über das „Kuckuck“ spielen. In einer Reihe von Kinder- und Volksliedern wird er besungen. Es gibt Gedichte und Geschichten sowie Sprichwörter und Bauernregeln über den Kuckuck. Am 14. April war „Kuckuckstag“ („Tiburtiustag“). Mit viel Geduld lässt sich ein Kuckucksstuhl flechten, die Aufkleber vom Gerichtsvollzieher tragen seinen Namen und die Uhren mit dem Kuckucksruf sind weltbekannt. Ich bin ja nun in Schülern aufgewachsen. Dort gab es lang vor meiner Zeit einen ganz anderen „Kuckuck“, der war auch sehr bekannt.

So um 1850 herum lebte dort ein Kerl, der hatte eine kleine Kate und nicht so viel Lust zum arbeiten. Um über die Runden zu kommen, zog er nachts mit seinem Freund „Isenpeter“  los und nahm den anderen Leuten weg, was sie so zum Leben gebrauchten. Roggen, Puten, Gänse, Schweine, Schafe, Honig, Butterkuchenteig und was sie sonst noch mitnehmen konnten.

Die Dorfleute hatten ihm  den Spitznamen „Kuckuck von Schülern“ gegeben. Er war gewitzt und passte gut auf, dass sie ihn nicht zu fassen kriegten. Alle hatten Angst vor seinen Schlechtigkeiten und das Dorf hatte einen ziemlich schlechten Ruf.

1913 hat der alte Viehdoktor Ehlers aus Soltau über ein paar seiner Räubereien ein plattdeutsches Büchlein geschrieben. Darin enthalten sind auch einige Verse vom Spottlied, das die Leute über seine Schandtaten geschrieben und auch bei passenden Gelegenheiten gesungen haben. Des Theaterstück ist schon ein paar mal aufgeführt worden und in den 70er Jahren hat die Böhme – Zeitung die Geschichte veröffentlicht. 2017 haben die Schülerner für den „Kuckuck“  an der „Lütten Straat“ eine Gedenkstätte eingerichtet.

Gut, dass der „Kuckuck“ dies zu Lebzeiten nicht wissen konnte, sonst hätte dieser Spitzbube vielleicht noch viel mehr Streiche ausgeheckt.

„Tiburtiustag“  :  Ein Gedenktag für den am gleichen Tag (14. April) beigesetzten heiligen Tiburtius.

Für den „Tiburtiustag“ gilt die Wetterregel : „kommt Tiburtius mit Sang und Schall, bringt er Kuckuck und Nachtigall“, d.h. das Gras wächst, die Bäume schlagen aus und viele Blüten beginnen zu blühen – und dann singt der Kuckuck …. kurzum – ein weiterer Schritt Richtung Frühling.

 

Inköpen von Heidrun Bosselmann

Bit för‘n poor Weeken wöör dat Inköpen nix Besonners. Dat geev jümmer vun allens noog. Man nu hebbt wi in‘e ganzen Welt denn Corona-Virus un nu is nix mehr so as bit do! Nich blot dat wi bang sünd krank to weren, ne, wi sünd ok in Sorg dat wi uns nich mehr to jeder Tiet mit de wichdigsten Saken versorgen künnt. Dor ik nu veele Stunnen to Huus verbringen do, müch ik mal up de Versorgung in mien Kinnertiet torüchkieken. Upwussen bün ik up‘n lütten Hoff in Schüllern. Mien Öllern harrn‘n poor Morgen Land un‘n beten Veehtüüg, aver keen Auto. To‘n Glück müssen wi to‘n Inköpen kuum mal na Snevern, denn do geev‘t in Schüllern noch‘n Koopmannsladen, de Gastwirtschaft (dor künnen ok övernachten un amtlich telefonieren), de School, de Post, dann Smeed, wi künnen Köhlen un Brikett kriegen un uns de Hoor snieden un Kledaasch snieddern laten. Üm Levensmiddel müssen wi uns nich toveel Gedanken maken, denn in‘e Wintermonat wöör‘n Swien slacht, so dat wi Dag för Dag Fleesch un Wust harrn, un Speck för de Braadkantüffel. Een Grootdeel vun‘e Levensmiddel, de wi bröken tuschen wi gegen Höhnereier bi‘n Kiepenkerl in, de tweemal in‘e Week kööm un in sienen Verkoopswagen nich blot Gries, Ries, Haverflocken un Nudeln för de Melksupp, sonners ok sowat as Muckefuck, Tee, Salt, Zucker, Mehl un Sahnebolschen dorbi harr, vun de wi Kinner twischendörch ok mal‘n Stangen schenkt kriegen deen. Wat‘n Freid! In‘n Goorn harrn wi Eerd-, Stick-, Fleeder- , roote un swatte Johannsberen, Rhabarber, Appel, Beernen, Kirschen, Plummen, Zwetschen, Salat, Arfen, Wörtel un Swatt-, Roote Bet, Kohlrabi, Blomen-, Witt-, Root- un Gröönkohl, Zwiebeln, Schalotten, Bohnen, Gurken un Kantüffel. Uns Steckröven stünnen up‘n Fellen. Allens wat nich glieks verbrukt weern künn, wöör in Glääs inkakt, to Saft, Gelee oder Marmelaad makt, dröögt oder inlagert un kööm in‘n Keller. Bi‘n Koopmann, wo wi mehrst allens kriegen künnen, koffen wi Appelsinen, Banaanen, Wiendruuven, Kees, Maggi, Margarine, Essig, Ölsardinen, Pralinen, Wien, Bohnerwachs, Schrievpapier, Seep, Swöpelsticken, Talglichter, Wostband un wat wi sünst noch bruken deen. För‘n Geboortsdag, Dööp, Konfirmation oder‘n annere Fierlichkeit künnen wi dor ok Koken vun‘n Bäcker un Fleesch un Upschnitt vun‘n Slachter bestellen un an‘n annern Dag afhalen. Schlagsahne, Boddern un Boddermelk bestellen wi bi de Molkerei, mit‘n Zettel an‘e vulle Melkkann, de de Melkkutscher morgens aflevern dee un de wi befüllt wedder torüch kregen. Tweemal in‘e Week kööm de Bäckerwagen un wi künnen uns mit frischt 6- Punds-Brot, Brötchen un‘n Wörfel Gest indecken. Wi Kinner freien uns över‘n Amerikaner un Oma bröök Kaffeebrot to‘n Instippen. De Wagen mit wat to Drinken, kööm midden in‘e Week un de Kist mit geele un witte Bruus müss söven Daag recken. Up‘e groote Krüüzung stünn freedaags de Fischwagen so üm Klock 10 rüm, un wannehr dor de Obstwagen ut‘n Oolen Land kööm, künnen wi ut‘e BöhmeZeitung gewohr weern. Sünst kömen de Lüüd in‘t Huus. De Herrn vun‘e Genossenschaft keken jede Week rin, dormit wi Pröpp för de Kah, Höhnerfudder un Fischmehl bestellen künnen. Rechttiedig to‘n Fröhjohr feuhrn de Snevern Kooplüüd mit‘n Auto vuller Antöög, Hemds un Büxen rüm un vun Tiet to Tiet kööm‘n Reisunkel ut Wasroa in‘t Huus, de allerhand Strickwaren dorbi harr. För uns Kinner geev‘t faken Saken to‘n Nadregen oder sülvstgeknütte Socken, Handschen un Pullovers as Geschenk. Blot wenn wi anner Foottüüg un Kledaasch to‘n Övertehn bröken, güng‘t mit‘n Rad na Snevern. Wi Kinner freien uns, denn meisttieds wöör dor denn jüst Johrmarkt un wi kregen nich blot wat Ne‘et, sonnern dröffen noch‘n Runnen Karussell feuhrn un mit veel Glück geevt ok‘n Buddel Liebesperlen oder‘n Doos Seepenblasen. Bi‘t Schrieven vun düsse Reegen kummt mi in‘n Sinn: Kaam ik dor düt Johr noch mal wedder hin?

Einkaufen – Von gestern auf heute auf Platt(deutsch)

Bis vor ein paar Wochen war das Einkaufen nichts Besonderes. Es gab immer von allem genug. Aber jetzt haben wir in der ganzen Welt den „Corona – Virus“ und es ist nichts mehr wie bisher. Nicht nur, dass wir Angst haben krank zu werden, wir sind auch in Sorge, dass wir uns nicht mehr zu jeder Zeit mit den wichtigsten Sachen versorgen können. Da ich nun viele Stunden zu Hause verbringe, möchte ich mal auf die Versorgung in meiner Kindheit zurückblicken. Aufgewachsen bin ich auf einem kleinen Hof in Schülern.

Meine Eltern hatten ein paar Morgen Land und etwas Viehzeug aber kein Auto. Zum Glück mussten wir zum Einkaufen kaum mal nach Schneverdingen, denn es gab in Schülern noch einen Kaufmannsladen („Klostermeyer“). In der Gastwirtschaft („Gellersens Gasthaus“), konnte man übernachten und amtlich telefonieren. Es gab noch die Schule, die Poststelle und den Schmied. Wir konnten Kohlen und Briketts ordern, zum Haareschneiden gehen und uns Kleidung schneidern lassen. Um Lebensmittel mussten wir uns nicht so viel Gedanken machen, denn in den Wintermonaten wurden Schweine geschlachtet, so dass wir Tag für Tag Fleisch und Wurst hatten und Speck für die Bratkartoffeln.

Ein Großteil der Lebensmittel, die wir brauchten, tauschten wir beim „Kiepenkerl“ ein, der 2mal in der Woche kam und in seinem Verkaufswagen nicht bloß Grieß, Reis, Haferflocken und Nudeln für die Milchsuppe, sondern auch so was wie „Muckefuck“, Tee, Salz, Mehl, Zucker und Sahnebonbons dabei hatte, von denen wir Kinder zwischendurch auch mal zu unserer Freude eine Stange geschenkt bekamen.

Im Garten hatten wir Erdbeeren, Stachelbeeren, Fliederbeeren, rote und schwarze Johannisbeeren, Rhabarber, Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen, Zwetschgen, Salat, Erbsen und Möhren, sowie Schwarzwurzeln, Rote Bete und Kohlrabi. Weiß-, Rot- und Grünkohl, Zwiebeln und Schalotten, Bohnen, Gurken und Kartoffeln wurden angebaut und auch Blumen. Unsere Steckrüben wuchsen auf den Feldern. Alles was nicht gleich verbraucht werden konnte, wurde in Gläser eingekocht, zu Saft, Gelee oder Marmelade gemacht, getrocknet oder im Keller eingelagert. Beim Kaufmann, wo wir meist alles bekommen konnten, kauften wir Apfelsinen, Bananen, Weintrauben, Käse, „Maggi“, Margarine, Essig, Ölsardinen, Pralinen, Wein, Seife, Bohnerwachs, Schreibpapier, Streichhölzer, Kerzen Wurstband und was wir sonst noch gebrauchen konnten. Für Geburtstage, Taufen, Konfirmationen oder andere Feierlichkeiten konnten wir dort auch Kuchen vom Bäcker und Fleisch oder Aufschnitt vom Schlachter bestellen und am nächsten Tag abholen. Schlagsahne, Butter und Buttermilch bestellten wir bei der Molkerei mit einem Zettel an der vollen Milchkanne, die der Milchkutscher morgens ablieferte und die wir befüllt wieder bekamen.

Zweimal in der Woche kam der Bäckerwagen, der uns mit frischem 6-Pfund-Brot, Brötchen und einem Würfel Hefe versorgte. Wir Kinder freuten uns über die „Amerikaner“ und Oma brauchte Kaffeebrot zum Einstippen. Der Wagen mit den Getränken kam in der Wochenmitte. Die Kisten mit gelber und weißer Brause mussten sieben Tage reichen. Auf der großen Kreuzung stand freitags gegen 10 Uhr der Fischwagen. Den Termin des Obstwagens aus dem „Alten Land“ erfuhren wir aus der „Böhme – Zeitung“. Sonst kamen die Leute ins Haus. Die Herren von der Genossenschaft schauten jede Woche vorbei, damit wir Fertigfutter für die Kühe, Hühnerfutter und Fischmehl bestellen konnten. Rechtzeitig zum Frühjahr fuhren die Schneverdinger Kaufleute mit dem Auto voller Anzüge, Hemden und Hosen ins Dorf und von Zeit zu Zeit kamen „fahrende Händler“ aus Walsrode ins Haus um allerhand Strickwaren anzubieten.

Wir Kinder mussten oft Kleidung von den älteren Geschwistern nachtragen oder selbstgestrickte Sachen, Handschuhe und Pullover tragen, die wir als Geschenk bekamen. Bloß wenn wir neue Schuhe und Kleidung zum Warmhalten brauchten, ging es mit dem Rad  nach Schneverdingen. Wir Kinder freuten uns, denn meistens war gerade Jahrmarkt und wir bekamen nicht nur etwas Neues zum Anziehen, sondern durften noch einige Runden Karussell fahren und mit viel Glück gab es auch eine Flasche Liebesperlen oder eine Dose Seifenblasen.

Beim Schreiben dieses Textes kommt mir in den Sinn : „komme ich dieses Jahr noch einmal wieder dort hin“ ?              

Meine Schulzeit – Von gestern auf heute auf Platt(deutsch)

2022 – nun bin ich schon 50 Jahre aus der Schule. Was ist die Zeit doch vergangen und zum 4. Mal hatten wir kürzlich ein Klassentreffen. Beim Schultest war der Doktor nicht zufrieden mit mir : „Nein, ein bisschen zart, bekommt die Arme nicht weit genug über den Kopf, braucht wohl eine Brille, kann kaum Hochdeutsch, ist mal eben gerade erst 6 Jahre alt und der Schulweg ist auch ordentlich lang. Aber meine Mutter hat darauf bestanden, daß ich im Frühjahr 1963 in Schülern auf die Schule kommen sollte. Vorher ging es aber im besten Kleid nach Schneverdingen zum Fotografen und hinterher wurden beim Frisör die dicken Zöpfe abgeschnitten – schade! – Dann ging es los, mit’n Bubikopf und einer Schultüte. Das Lehren fiel mit nicht so schwer und machte Spaß, noch vielmehr, als dann 1965 die neue Schule eingeweiht wurde. Mir gefiel der helle, freundliche Klassenraum mit den glatten, sauberen Tischen und Stühlen, passend für meine Größe. Es gab auch allerhand Musikinstrumente und draußen Gerätschaften zum Turnen und Klettern.

Die Grundschulzeit verging auch und in der 5. Klasse kam ich dann zu den „Großen“ herüber und einen anderen Schulmeister bekam ich auch. Das war eine ziemliche Umstellung, aber nichts gegen die nächsten Jahre, für die ich als Fahrschüler zur „Schneverdinger Volksschule Am Osterwald“ eingeschult wurde. (Anmerkung : Obwohl schon Anfang 1960 bekannt war, daß die umliegenden Schulen nach Schneverdingen gehen, wurde noch ein neues Schulhaus in Schülern gebaut. Einweihung war 1965 / 1971 ging die Schülerner Schule nach Schneverdingen / *Hi.). Noch früher aufstehn, kaum Platz im VW-Bus und im Aufenthaltsraum großer Lärm. Die vielen Mitschüler, eine Menge Schulmeister, das Wechseln der Unterrichtsräume und bis ich wieder zu Hause war, das dauerte. Oft wurde das Mittagessen flink aufgewärmt und dann ging es meistens erst zum Feld. Dann mußte der Berg an Hausaufgaben, das Lernen für die Klassenarbeiten und das Üben der englischen Vokabeln (mir fehlen ja auch die Vokabeln der 5. Klasse) warten. Nach einiger Zeit hatte ich den Bogen raus, bekam alles unter einen Hut und die Lust auf Schule kam wieder. Dabei hat auch geholfen, daß der Unterricht so interessant war. Mal im Naturkundeunterricht, wo was mit dem Mikroskop untersucht wurde, in der Erd- kundestunde einen Film ansehen oder Dias über die Ausfahrt nach Lüneburg. In den Deutschstunden Schulfunksendungen hören. In den Naturlehrstunden mal Lampen und Motoren in Gang bringen. Ein andermal mit Chemikalien experimentieren. Beim Sport auf dem Schwebebalken turnen oder als Armin Hary auf der Tartanbahn laufen. Bücher zum Ausleihen gab es auch. Im letzten Jahr wurde eine Abschlußfahrt mit einem Zwischenstop im „Langen Eugen“ (Bonn / *Hi.) für eine Bundestagsdebatte durchgeführt. Und wieder ging es bis an die Mosel. Zum erstenmal in eine Jugendherberge, in einen Weinkeller und in eine Disco. Nie wieder Zigaretten !! 

In Trier wurde die „Porta Nigra“ und all die anderen römischen Bauwerke besichtigt. Zum Abschluß fand eine Schiffsfahrt auf der Mosel statt. Mit vielen neuen Eindrücken, klüger als vorher und ein Buchpreis für’s gute Zeugnis, wurde ich 1972 entlassen und zum 1. April begann für mich „der Ernst des Lebens“ als Lehrling bei Gottena im Kontor. Zum Monatsende bekam ich meine erste Lohntüte. Dabei habe ich gemerkt : „Zur Schule gehen, ist die beste Sache der Welt, wenn man auch als Schüler Geld bekommt“.

Kirchspiel

Joh. Heinr. Pratje’s

vermischte historische Sammlungen

Band / Stade 1845

Verlag des vaterländischen Vereins

Das neunte Kapitel

Vom Kirchspiel Schneverdingen

Das Kirchspiel Schneverdingen ist das größte und weitläufigste im ganzen Amte Rotenburg. Es ist gegen Norden und Osten mit den Lüneburgischen Ämtern Harburg, Winsen u. Soltau, gegen Süden mit den Kirchspielen Wolterdingen und Neuenkirchen, gegen Westen aber mit dem Kirchspiele Scheeßel benachbart.

F = Feuerstellen (Einwohner ermitteln: 6 – 8 fache pro Feuerstelle)
M = Meilen

Die Örter, welche zu diesem Kirchspiele gehören, sind :

Schneverdingen, welches mit Einschluß der Pfarre und Küsterei aus 39 Feuerstellen (F) be- steht. In alten Zeiten hat hier eine adelige Familie gewohnt, welche von Schnävern oder von Schnäverding, und zu welcher ohne Zweifel auch die Patrizier dieses Namens in Lüneburg gehört haben. Die Bischhöfe zu Verden hatten in alten Zeiten hieselbst ihr eigenes freies Haus, worin sie sich zuweilen aufhielten. Die Stelle desselben soll diejenige seyn, auf wel- cher jetzt (1774) der Posthalter Möhring wohnt.

Hansalen, ist ungefähr einen Kanonenschuß weit von Schneverdingen gegen Norden (N) entfernt und besteht aus 8 F.

Osterwede, 1⁄2 Meile (M) von der Kirche gegen Westen (W) , hat 2 F.

Großenwede, liegt etwas weiter gegen W. und zählt außer dem Schulhause 10 F. 

Insel, 1⁄2 M. Gegen N. ist von gleicher Größe.

Fintel, liegt an einem Fluß, die Fintau genannt, und ist soviel wie Finteloh, d.i. ein bewohn- ter Ort an der Fintau. Hier haben die Antonsbrüder 1480 zu Zeiten des Bischofs Bartholdi eine schöne Kirche gebaut, und Gelegenheit gegeben, daß daselbst viel Aberglauben getrie- ben wurde. Sie wollten auch ein Kloster bei derselben anlegen ; aber weil Luther mit seiner Reformation zu früh in den Weg trat, wurde aus diesem ihr Vorhaben Nichts. Ja, ihre Kirche wurde sogar 1548 von Anton von Weyhe abgebrochen und ins Alte-Land gesetzt. Vermuth- lich ist sie daselbst aber nicht wieder zu einem Gotteshause gemacht, sondern zu einem an- dern Gebäude verwendet worden ; denn man findet im Alten-Lande keine Kirche, deren Er- richtung in diesen Zeitpunkt falle. Nach der Zeit ist zu Finteln doch eine Kapelle wieder er- bauet, worin 4 mal im Jahre Gottesdienst und Communion verrichtet und die vorfallenden Leichenpredigten gehalten worden sind. Dieser Bau ist im Jahre 1650 geschehen ; denn in einem alten Kirchenbuche zu Schneverdingen bemerkt der damalige Pastor Schacht, daß er Dnc. XII. post. Trinit. 1650 zum ersten Male in der neuen Kirche zu Fintel gepredigt und einen Taufact verrichtet habe. Auf dem Jahrmarkte hieselbst, der 14 Tage vor Michaelis fällt, wird ein starker Umsatz mit groben wollenen Strümpfen und Mützen getrieben.

In demselben geben auch die begüterten Hausleute den Armen ein Huhn, welches sie St. Tönnieshuhn nennen, eine Sitte, die gewiß noch von den Zeiten der Antonsbrüder herrührt.

Eggertsmühlen, 1 M. von Schneverdingen gegen N., ist auf Erbzins ausgethan. Der Mühlenbach ergießt sich im Kirchspiele Scheeßel in die Fintau.

Weselohe, 5/4 M. gegen N. , hat 3 F.

Reinsalen, 3⁄4 M. gegen N. besteht aus 2 F.

Barl, ein einstelliger voller Hof, nicht weit davon gegen Osten (O.).

Höpen, ein voller Hof, eine gute Viertelmeile von der Kirche gegen Nordost. 

Piets, ein voller Hof, 1⁄4 M. gegen O.

Mohr, ein eben solcher nicht weit davon liegender Hof.

Bockheber, ein voller Hof, 1⁄2 M. von Schneverdingen, gegen O.

Scharl, liegt noch etwas weiter gegen O. und hat 2 F.

Benninghöfen, ein kleines Dorf von 2 F. , liegt 1 M. von Schneverdingen gegen O. Nicht weit davon ist ein kleines herrschaftliches Gehölz, der Benninghofer Stuh genannt, welches vor 20 Jahren und darüber angelegt ist und aus Tannen, Fuhren und Lerchenbäumen besteht.

Tütsberg, eine Pflugkathe, noch etwas weiter von der Kirche entfernt.

Heber, ein Dorf, das außer dem Schulhause 9 F. hat und eine starke 1⁄2 M. von der Kirche gegen Süd-Ost liegt.

Langwedel, eine noch etwas weiter weg liegende Pflugkathe

Meierhof, ein voller Hof, nahe bei Schneverdingen, gegen S.

Galhorn, etwas weiter davon, ist ein voller Hof.

Wiekhorst, ein kleines Dorf von 5 F. , etwa eine kleine halbe M. von der Kirche gegen S.

Steinbeck, ein voller Hof, 1⁄4 M. gegen S.

Vorwerk, 1 voller Hof, 1⁄2 M. vom Kirchdorf, gegen S.

Langelohe, ein kleines Dorf von 3 F. eine starke 1⁄2 M. von der Kirche, gegen S.

Gröps, ein kleines Dorf von eben so vielen F. etwas weiter davon entfernt. Hier ist ein kleines herrschaftliches Gehölz, Gropshege genannt, worin junge Eichen und Buchen stehen. Die Befriedigung umher ist mit Birken besetzt.

Sauerbostel, hat 2 F. die fast 1 M. von der Kirche südwärts liegen.

Hillern, ein kleines Dorf von 3 F. , noch etwas mehr nach S. Zwischen Sauerbostel und Hillern fließt die Böhme.

Hembsen, hat 2 F. eine kleine halbe M. von der Kirche, gegen Südost. 

Freyersen, nicht weit davon, besteht aus 2 F.

Schultenwede oder Schultenhöfen, hat 2 F. 1 M. von Schneverdingen, gegen Südwest.

Riepe, ein voller Hof, 1 starke M.von der Kirche, gegen S.W.

Lunz oder Lunßen, ein Dorf, das außer dem Schulhause 9 F. hat , 1⁄2 M. von Schneverdingen, gegen W. Die Mühle hieselbst liegt an einem, nachher im Kirchspiel Scheessel in die Veerse fallenden, Bache, der von den Umherwohnenden gemeiniglich das große Wasser genannt wird. Sie ist auf Erbzins ausgethan.

Zahrensen, 1⁄4 M. von der Kirche gegen W. , besteht aus 10 F. Der Name ist allem Ansehn nach aus Zahrenhausen entstanden, und wahrscheinlich hat davon das vormals angesehene Geschlecht der Herren von Zahrenhausen, das hierherum ansehnliche Güter gehabt hat, seinen Namen.

Haselhof, ein voller Hof, eine starke M. von Schneverdingen gegen Südwest. 

Vogden, besteht aus einem vollen und einem halben Hofe, und liegt noch etwas weiter gegen Südwest.

Einenbrockhof, ein einstelliger Hof, der nahe dabei südwestwärts liegt. Nahe dabei befindet sich auf einer Anhöhe ein kleines Gehölz von schönen Buchen und Fuhren welches der Bookhorn heißt. Es gehört dem Bewohner dieses Hofes.

Schulernbrookhof, ein zweistelliger Hof, noch etwas weiter von der Kirche. 

Lieste, ein voller und ein halber Hof. Eine kleine M. von der Kirche gegen S-W. 

Königshof, ein voller Hof. 1 M. von Schneverdingen gegen S.

Sprengel, ein kleines, noch etwas weiter gegen S. liegendes Dorf, von 9 F. 

Schülern, ein kleines Dorf von 6 F. 3⁄4 M. von der Kirche gegen S.

Valzen, 1⁄4 M. gegen S. , besteht aus 3 F.

Reimen, ein kleines Dorf von 4 F. in derselben Gegend.

Die meisten von den Dörfern und einstelligen Höfen haben kleine Hölzungen von gutem Wachsthum. An den meisten Orten kommt sowohl Eichen- und Buchen- , als Tannenholz wohl fort ; besonders gibt es gute Tannen in der Gegend von Gröps, Hembsen, Reimerdingen, Piets, Mohr und Meierhof.

Die Stiftung der hiesigen Kirche wird durch eine mündliche Überlieferung der Hrn. von Schneverding, die vormals hier gewohnt haben, zugeschrieben. Diese sollen auch den Platz, wo das Pfarrhaus steht und den dazugehörigen großen Wischhof geschenkt haben.

Wann die Kirche hieselbst errichtet worden, davon sind keine zuverlässige Nachrichten vorhanden. Wahrscheinlich ist es ziemlich früh geschehen ; denn da um das Jahr 1232 schon der Vogtei zu Schneverdingen gedacht wird, so ist wohl anzunehmen, daß damals auch schon eine Kirche und Pfarre daselbst gewesen sei.

Die Taufe in der Kirche zeugt mit den Zügen ihrer Inschrift : Fons Vivens, Aqva Regenerans, Vnda Pvrificans von einem ziemlichen Alter.

Der Bischof Philipp Sigismund schenkte dieser Kirche 1616 eine schöne Orgel, die aber bald nachher im 30jährigen Krieg ruinirt ward. Nach der Zeit ist keine wieder angeschafft worden. In dem vorigen Pfarrhause sah man eine Fensterscheibe, worin Petrus abgemalt war, mit dem Beisatz : S. Peter Kirkpatron zv Svevern. 1618, und bei Erbauung der neuen Kirche, 1746, ist hinter dem Altar ein Stein in die Mauer gesetzt, worauf Paulus zum Mitpatron erklärt wird. Die Schrift auf diesem Stein lautet : „Durch Gottes Gnade ist 1745, den 16. April diese St. Petri und Pauli Kirche zu Schneverdingen zu bauen angefangen, und 1746, den 15. Septbr. vollendet worden, da hier waren Pastor : M. Ang. Matth. Bvttner, Juraten : Jo Brummerhof, Jurgen Meyer, Jonas Rogge, und verfertigt von Jo Christ. Goetze aus Voigtland, Gott allein die Ehre“.

Quelle : Abschrift aus dem Internet durch Dorfchronist Peter Hillmer, Schülern, im Februar 2018.

Schneverdingen ist ein großes Kirchspiel im Heidekreis. Der Kirchenname ist „Sankt Petrus Paulus“, das Taufregister beginnt mit dem Jahrgang 1642, ist aber bis 1669 unvollständig, das Trauregister ist leider erst ab 1714 erhalten, das Beerdigungsregister beginnt 1690. Die Kirchenbücher befinden sich vor Ort, Kirchen – Nebenbücher 1715 – 1852 (nicht alle Jahrgänge !) befinden sich im Staatsarchiv Stade.

Das Kirchspiel gehörte ursprünglich zum Bistum Verden, aus dem um 1650 das Herzogtum Verden wurde. Zuständig war das Amt Rotenburg, bis in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die drei Kirchspiele Schneverdingen, Neuenkirchen und Wolterdingen zum Regierungsbezirk Lüneburg kamen.

Bis 2011 war Soltau / Fallingbostel der zuständige Kreis, der nun nach weiteren Fusionen den Namen „Heidekreis“ trägt. Eingepfarrt sind viele Dörfer und Wohnplätze, nämlich :

Barrl – Benninghöfen – Bockheber – Brockhof (Lünzenbrockhof) – Bult – Eggers- mühlen – Einembrockhof – Fintel (wurde 1848 eine selbständige Kirchengemein- de) – Freyersen – Gallhorn – Gröps – Grossenwede – Hansahlen – Hasselhof – Hastemoor – Haswede – Haxloh – Heber – Heide – Hemsen (Helmslingen) – Hillern – Höpen – Horst – Insel – Königshof – Langeloh – Langwedel – Lieste — Lünzen – Lünzenbrockhof – Lünzmühlen – Meyerhof – Möhr – Osterwede – Pietz Reimerdingen (Reimern) – Reinsehlen – Riep (Einemriep) – Scharrl – Schiel – Schneverdingen – Schülern – Schülernbrockhof – Schultenwede – Sprengel – Steinbeck – Surbostel – Tütsberg – Tütshof – Vahlzen – Voigten – Vorwerk – Wehde – Wesseloh – Wieckhorst – Wintermoor – Wulfsberg – Zahrensen (Zahren) Zweienbrockhöfen.

Quelle : Wilhelm Kranz im August 2014

Soltau und Umgebung im Jahre 1775

Erläuterung zum Blatt 83-Soltau der Kurhannoverschen Landesaufnahme des 18. Jahrhunderts, Maßstab 1 : 25000, 76 cm x 50 cm / Reproduktion. Druck und Vertrieb: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt – Landesvermessung – 1983

Die Kurhannoversche  Landesaufnahme, ein Meisterwerk der frühen Kartographie

Als im Jahre 1767 dem hannoverschen Landesherrn und englischen König Georg III. die ersten fertigen Blätter einer Kartenaufnahme der Moorgebiete des Herzogtums Bremen vorgelegt wurden, war er so davon beeindruckt, daß er die topographische Aufnahme des ganzen Landes anordnete. Diesem königlichen Befehl haben wir die Entstehung der Kurhannoverschen Landesaufnahme zu verdanken, des ersten großen und auch schönsten niedersächsischen Kartenwerkes, das 1786 abgeschlossen wurde. Seine 172 Blätter umfassen mehr als die Hälfte des heutigen Landes Niedersachsen. Sie sind seit ihrer Veröffentlichung eine Hauptquelle der  historischen Forschung geworden, insbesondere wenn es um die Entwicklung der heutigen Kulturlandschaft geht.

Neben der militärischen Bedeutung waren es hauptsächlich zwei Gründe, die den königlichen Kartenliebhaber und -sammler zur Fortführung des Werkes bewegten. Der eine war zweifellos der Gesamteindruck, den die Karten auf ihn machten, die Feinheit der Ausführung, die präzise Darstellung der Dörfer und Städte, der Flüsse und Wege, der Wälder und Felder, der Heideflächen und Moore sowie die vorzügliche Wiedergabe der Reliefs, die Ausgewogenheit der Farbgebung und die Fülle der Namen, kurzum das ästhetische Bild, das uns auch heute noch erfreut. Der zweite und einsichtigere Grund lag in dem Bestreben des Königs, einen Überblick über sein hannoversches Kurfürstentum zu erhalten. Trotz seiner langen Regierungszeit (1760 – 1820) hat er es zwar nie persönlich besucht, doch er ließ ihm eine beachtliche Fürsorge angedeihen, wie z. B. die Siftung der Königlichen Landwirtschaftsgesellschaft in Celle 1764 beweist, deren Zweck es sein sollte „den Wohlstand Unserer Teutschen Lande durch landwirtschaftliche Verbesserungen zu befördern“. Damit waren vor allem „Gemeinheitstheilung, Kultivierung wüster und unbebauter Gegenden und Plätze und Ansetzung neuer Anbauer“ gemeint. Die Voraussetzung für solche Veränderungen war eine eingehende karthographische Bestandsaufnahme, insbesondere der unkultivierten Moore und Heideflächen sowie der königlichen Wälder und Holzungen. Sie ist den elf kartierenden Offizieren des hannoverschen Ingenieurkorps in überraschend kurzer Zeit (je Offizier 1 – 2 Blatt pro Jahr) mit erstaunlicher Genauigkeit und hervorragender Darstellungsgabe gelungen. Und das, wenn man bedenkt, daß diese Offiziere ohne trigonometrisches Netz, nur mit einfachen Hilfsmitteln ausgestattet die Vermessungsarbeiten durchführten und im Winter auch noch die Reinzeichnungen der Karten anfertigen mußten.

Selbstverständlich ergaben sich dabei Lagefehler. Sie werden deutlich, wenn man das vorliegende vom Originalmaßstab 1 : 21333 1/3 auf 1 : 25000 verkleinerte Blatt mit den entsprechenden aktuellen Topographischen Karten (Meßtischblättern) zur Deckung bringt. Das ist jedoch nebensächlich, wichtiger ist die Erkenntnis, wie stark sich in den einzelnen Gebieten im Verlauf der vergangenen 200 Jahre die Landschaft und die Siedlung verändert haben. Damals bestand die Lüneburger Heide wirklich noch zu mehr als zwei Dritteln aus Heide- und Moorflächen, die heute aus dem Landschaftsbild fast verschwunden sind. Hervorzuheben ist die gute karthographische Gesamtausstattung. In den Dörfern finden z.B. eine Einzelhausdarstellung, beim Wald ist neben der Unterscheidung zwischen Laub- und Nadelwald auch die Dichte oder Lichte des Bestandes erkennbar und bei der Darstellung des Wiesen- und Bruchlandes in hellgrüner Grundfarbe mit Strichen und Punkten wird das gute Wiesenland in grauschwarzer und das Bruchland in graugrüner Farbe gehalten. Beachtenswert ist auch die Darstellung des Geländes, das durch Schummerung und Schraffierung in seinen wesentlichen Formen richtig erfaßt wird. Damals wichtige Grenzen – Landesgrenzen (rot), Ämtergrenzen (grün) und Gerichtsgrenzen (gelb) – werden auffallend deutlich hervorgehoben und durch Erläuterungen noch ergänzt. Die Beschriftung, durchweg in lateinischer Schreibschrift, deutet schon durch ihre Größe die Bedeutung der Objekte an und die Wiedergabe wesentlicher Flurnamen ist eine Bereicherung des Kartenwerks.

 

Wilhelm Ehlers : „Geschichte der 96 Höfe“

(folgende Auszüge sind dem Heimatbuch vom Soltauer Tierarzt Wilhelm Ehlers : „Die Geschichte der 96 Höfe“ von 1914 entnommen. Hier : Internet / Staatsbibliothek Berlin / Preußischer Kulturbesitz).

Vorrede

Dem Zuge unserer Zeit folgend, durch schreiben von Heimatgeschichten die Liebe zur Scholle zu fördern, bin ich dazu gekommen, die Geschichte der 96 Höfe der Landgemeinde des Kirchspiels herauszugeben. Ich bemerke nun gleich, daß solche der Natur der Sache nach nie vollständig. sein kann, denn nur selten wird dem Verfasser hinreichend Material zur Verfügung stehen, um die im breiten Rahmen angelegte Geschichte so vieler Höfe bis ins speziellste beschreiben zu können. Ein solches Unternehmen ist an sich schwierig und zeitraubend, und der Lohn liegt nicht in klingender Münze, sondern im Bewußtsein der guten Sache, bei dem einen den Sinn für die engere Heimat erweckt, bei dem anderen die vorhandene Liebe zum väterlichen Hofe verstärkt zu haben ( Hi./ im Sinne des Chronisten). Als Material standen mir nur Kirchspielakten, die indessen meistens von Prozessen, Kriegslasten u. dergl. handeln, sowie einige aufbewahrte Hofpapiere zu Gebote; Familientraditionen ergänzten das übrige. Die im allgemeinen Teile beschriebenen Ausführungen sind nicht allein typisch für das Kirchspiel Soltau, sondern zum Teil auch für benachbarte Kirchspiele und Landesteile maßgebend. Etwa vorhandene Unrichtigkeiten in der Familienchronik der Höfe bitte ich zu entschuldigen. Möge dieses Werk jahrelanger Mühe eine wohlwollende Aufnahme finden.

 Allgemeiner Teil

 Unser Kirchspiel zeigt, wie auch die benachbarten, die einzigen Zeugen menschlichen Bewohntseins in grauester Vorzeit; zahlreiche in der Heide zerstreut liegende Hügelgräber, deren Inneres die Asche der damaligen Bewohner entweder in gebrannten Tontöpfen (Urnen) oder in bloßer Erde birgt. Es waren aber nur die Angeseheneren jener Zeit vor 2- 2500 Jahren, zu deren Andenken diese Hügel gewölbt wurden; die Asche der verbrannten Sklaven, deren Herren freie Bauern waren, zerstreute der Wind am Fuße der Hügel. Schon damals in der sog. vorgeschichtlichen Zeit war die hiesige Bevölkerung seßhaft und kein Nomadenvolk mehr, denn alle Hügelgräber befinden sich stets in der Nähe der jetzigen Dörfer oder Einzelhöfe und nie in einsamer Heide fernab von menschlichen Niederlassungen. Gräber aus der sog. Steinzeit finden sich nicht in unserem Kirchspiel. Der berühmteste Typ dieser Art in Nordwestdeutschland sind die bekannten „7 Steinhäuser“ im benachbarten Kreise Fallingbostel, von denen leider nur noch 5 vorhanden sind. Zum Glück sind diese seltenen Denkmale in den Schutz der Regierung gestellt und so vor Zer-  störung gesichert. Die Hügel unseres Kirchspiels stammen aus der sog. „Bronzezeit“ , die über 600 Jahre vor „Christi Geburt“ hinaufreicht und je nach Beschaffenheit der Urnen und darin enthaltenen Beigaben in eine ältere und  jüngere „Bronzezeit“ unterschieden wird. Die frühere Einteilung der Vorgeschichte in eine „Stein-, Bronze- und Eisenzeit“ ist jetzt verlassen, denn es ist nachgewiesen, daß unsere Ureinwohner schon zurzeit der beiden ersteren Perioden das Eisen als Waffe und Werkzeug kannten und vielleicht selber schmiedeten, indem sie es durch Schmelzen des Raseneisensteins gewannen.  Werkzeuge und Waffen von Stein, Bronze und Eisen wurden, wie auch Schmucksachen von Bernstein und Glas in Form von Perlen, teils in Gebrauch genommen, teils zu Kultuszwecken den Toten mitgegeben. Bronzebeigaben in Urnen werden in unserem Kirchspiel selten gefunden. Sie kamen im Tauschhandel vom nördlichen Skandinavien wie vom südlichen Italien hierher, und die Heide konnte für diese kostbaren Sachen nur gering bewertete Landesprodukte bieten. –  Als älteste bekannte Völkerschaften, welche unser Kirchspiel zur „Gauzeit“ bewohnten, nenne ich die „Chauken“ und „Angrivarier“.  An jene erinnert das bei Soltau liegende kleine Gehölz „Kaubeck“ , dessen Bezeichnung mit Kühen nichts zu tun hat, und diese hauptsächlich an beide Ufern der Unterweser wohnende Stämme dehnten ihre Wohnsitze bis in unser Kirchspiel aus. So war es bei der römischen Invasion. Später, zur Zeit der Cristianisierung“ durch „Karl den Großen“, wohnten hier „Barden“ , gemischt zum größten Teil mit „Sachsen“ und einzelnen „Wenden“. Die „Barden“, nach ihrer Hauptwaffe, der Barte (Beil), genannt, hießen zur Unterscheidung der nördlicher wohnenden eigentlichen „Barden“ , die „Lohngau – Barden“, weil sie den „Lohngau“ bewohnten. Als sie von den aus „Schleswig – Holstein“ über die Elbe kommenden „Sachsen“, welche ihnen ihre Wohnsitze nahmen, verdrängt wurden, wanderte der größte Teil aus und gründete das „Langobardenreich“ (die „Lombardei“) in Italien. Es waren also hauptsächlich die „Barden“ des „Lohngaues“ und nicht die benachbarten des eigentlichen „Bardengaus“, welche gewöhnlich, aber unrichtig „Langobarden“ genannt werden, welche auswanderten. Die „Sachsen“ nannten sich nach ihrer Hauptwaffe dem „Sachs“, einem langen eisernen Messer. Die jetzigen Bewohner unseres Kirchspiels sind ihre Nachkommen, natürlich in der Grundform. Nur wenige Ortsnamen sind bardischen Ursprungs, so z.B. „Moide“, das untergegangene „Nortoide“„Suroide“, „Oihus“ u.a. Es gab hier 2 verschiedene Unter – Stämme des großen „ostfälischen“ „Sachsenstammes“, welche sich durch die Pferdeköpfe an den Giebeln ihrer Wohnungen von einander unterschieden. Während, wie noch jetzt zu sehen ist, die Pferdeköpfe im „lüneburgischen“, also auch in unserem Kirchspiele, sich von ein- ander kehren, stehen sie sich im „Stift Verden“ einander gegenüber. Übrigens ist mei- ne persönliche Ansicht, daß der „Goh“, das jetzige Kirchspiel, früher zum großen Sachsenstamme der „Engern“ gehört hat. Der Gaufürst oder Sachsen-Herzog  derselben war zurzeit der fränkischen Kriege „Bruno“, während der Anführer der „Ostfalen“  Hassio“ und der Herzog der „Westfalen“ „Widukind“ hieß. Die kleinen „Gohe“ entsprachen den jetzigen Kirchspielen, sie hießen nach „Tacitus“  Hundertschaften wegen der 100 Höfe, die dazu gehörten. Mit den untergegangenen kommen noch jetzt so viel in unserem Kirchspiel heraus . Die „Sachsen“ unterschieden sich in 4 streng von einander getrennte Stände, in „adlige“ , „freie“„halbfreie“ und „unfreie“. Die „Edelinge“, nobiles, hatten großen Grundbesitz und Vorrechte. Für die Tötung eines Edelings mußte z.B. das 6fache Wergeld als für die Tötung eines „Freien“ bezahlt werden, nämlich 960 Schillinge (solidi) eine Summe welche ihrer Größe wegen, wohl kaum jemals entrichtet ist. Die Buße (Wergeld) für die Tötung eines „Freien“ betrug nämlich 160 Schillinge. Die großen Höfe der „Edelinge“ wurden meistens von „Halbfreien“ gegen Zins bebaut mit Hilfe von „Unfreien“    Der Kern des Volkes bestand aus freien Bauern, den sog. „Freien“ oder „Frielingen“ (liberi oder ingenui), welche freien Grundbesitz hatten und denselben mit „Unfreien“ bewirtschafteten. Die Größe ihrer Höfe war nach den Gemeinden verschieden, aber innerhalb einer und derselben Ge- markung hatte 1 Hof 30 Morgen Ackerland und dazu seinen Anteil an der „Allmende“ (Gemeinheit), welche aus Forst, Wiesen, Gewässer, Bruch, Heide und Moor bestand. Es kam auch vor, daß freie Bauern in Schutzverhältnisse zu „Edelingen“ standen. Der 3. Stand der Sachsen waren die „Halbfreien“ oder „Liten“, „Laten“. Sie hatten kein Eigentum, sondern Pachtland der „Edelinge“ oder „Freien“ und waren zum Heeresdienst verpflichtet. Sie ent- standen ursprünglich aus der thüringischen Bevölkerung, welche 531 durch die „Sachsen“ unterjocht war. Den 4. Stand bildeten die „Unfreien“, die „Sklaven“ (servi), die keine politischen Rechte hatten und als „Leibeigene“, als „Gesinde“ dienten. Sie gingen ursprünglich aus Kriegsgefangenen hervor ; es ereignete sich aber auch, daß ein „freier Sachse“ „im Würfelspiel seine Freiheit verlor und ein „Sklave“ ward. Die Treue, Keuschheit und Wahrheitsliebe waren  3 Haupttugenden der alten „Sachsen“, der Trunk und das Würfelspiel aber 2 Hauptlaster — Die Vorrechte der verschiedenen Stände kennzeichnete außer dem gesagten ferner der Mord. War ein „Leibeigener“ z.B. von einem „Adeligen“ ermordet, so konnte er sich durch einen Eid reinigen, den außer ihm noch 2 Eideshelfer schwuren. „Freie“ und „Halbfreie“ indessen bedurften eines vollen Eides mit 11 Eideshelfern. Für Verletzungen und Wunden war eine genaue Taxe von Bußen aufgestellt, die an die Geschädigten gezahlt wurden. Außerdem erhielten die letzteren bei Tötungen das Wergeld. Der Staat bekam den sog. „Fredus“ (Friedensgeld), welches bei Schädigung eines „Edelings“ auf 12 Schillinge, bei solcher eines “Frielings“ auf 6 und eines „Liten“ auf 4 Schillinge festgesetzt war. Da es nicht der Zweck dieses Buches ist, das Leben der alten „Sachsen“ noch weiter zu be- sprechen, so möge das Gesagte genügen.    Wie erwähnt, war unser Kirchspiel in der vor- christlichen „Gauzeit“ ein Teil des großen „Lohngaus“. Derselbe bestand aus den jetzigen Kirchspielen Soltau, Wietzendorf, Bergen, Hermannsburg, Dorfmark, Fallingbostel, Walsrode, Rethem, Ahlden, Schwarmstedt, Hagen, Eilten, Helstorf und Mellendorf. Er wurde nördlich vom  „Bardengau“, westlich vom „Sturmi- und Grindirigau“, südlich vom „Merstemgau“ und östlich vom „Flutwide- und Gretingau“ begrenzt. Der „Lohngau“ oder „Loingo“ , hat seinen Namen von dem großen ihn früher bedeckenden Urwalde, denn „Lo“ bedeutet Wald ; sagen wir doch jetzt noch Lohe für Rinde (Gerberlohe). Die Ableitung von der Leine ist nicht anzunehmen, denn   sie durchströmte nur den südlichen Teil des Gaus. Durch die Mitte ging die Aller, welche ihn von Osten nach Westen durchfloß    Als „Karl der Große“ den „Sachsen“ das Christentum brachte, hörte die Einteilung in Gohe auf, und an ihre Stelle traten die Grafschaften. —  Die älteste auf unser Kirchspiel bezughabende Urkunde ist die vom „König Otto I“ von 937, nach welcher derselbe das Gut Soltau an das Kloster Quedlinburg schenkte. Es heißt darin : „curtem Salta, sitam in pago Loingo in  comitatu Luidgeri donavit“, d.h. Er schenkte das in der Grafschaft des „Ludger“ im „Longau“ belegene Gut Soltau. Hier bedeutet Grafschaft nur den Untergau, die Hundertschaft (Kirchspiel) Soltau. — Obwohl mehr die Geschichte Soltaus angehend, so will ich doch einiges über die Bezeichnung „Curtis“ und die Vorzeit des Salzhofes (curtis Salta) bemerken. „Adred“, die Mutter des „Grafen Bardo“, schenkte ihr Gut Soltau dem „Sachsen- herzoge Heinrich“, dem späteren „Könige Heinrich zur Sühne“ für den Treubruch und Auf- stand ihres Sohnes gegen ihn. Es ist anzunehmen, daß Soltau ein Familiengut der „Adred“   gewesen ist. Möglicherweise wurde hier schon Salz aus der neben der Ratsmühle liegenden jetzt versandeten Quelle gewonnen und im Handel vertrieben. — Die Bezeichnung „curtis“ kam in „fränkisch-karolingischer“ Zeit auf und bedeutete einen Königs- oder Reichshof. Ein solcher war meistens an belebten Heerstraßen belegen und hatte zum Schutze stets eine Burg, in welche der Herr mit seinen Dienstleuten in gefahrvoller Zeit flüchtete. Der Wirtschaftshof hatte 3 von einander getrennte Gebäude für die Herrschaft („Lehnherrn“), nämlich eins als Stube, eins als Kammer und das dritte als Küche. Daneben lagen die Viehställe und Speicher für Früchte, Korn und Fleisch und die kleinen Katen der „Leibeigenen“. Der ganze Hof war mit einem Walle und Dorngehäge oder Flechtwerkzaun umgeben und hatte einen kleinen umwallten Vorhof (curticula). Die „curtis Salta“ lag wahr- scheinlich im jetzigen Hagen und Marktstraße ; die Befestigung war die naheliegende „Wasserburg“, an welche noch jetzt der Name erinnert. Die ausgedehnten Weideflächen des Soltau- und Kuhbaches, wie die östlich davon befindlichen (jetzige alte und neue Weide) lieferten dem Vieh genügende Nahrung. Der Hof Soltau umfaßte das jetzige Stadtgebiet mit allem dazu gehörigen Areal und war in „vorkarolingischer“ Zeit der Wohnsitz der Gaugrafen des Kleingaus Soltau, der Vorfahren des „Grafen Ludger“. Die erwähnte „Adred“ (Adelheid ?) war schon im Lehnbe- sitz des Reichshofes Soltau gewesen, der ihr wohl schon lange als erb und eigen zugehört hatte, und den sie ihrem Gemahl, dem „Grafen Bardo“, als Hochzeitsgabe darbrachte, oder der ihr Witwensitz war. Wie dem auch sei, von 913 an kam die „kurtis“ in den Lehnbesitz der „Ludol- finger“, von der ja „Heinrich von Sachsen“ abstammte. —  In kirchlicher Hinsicht ward der „Loingau“ dem fernliegenden Bistum Minden von „Karl den Großen“ übergeben, anstatt dem nahen Bistum Verden ; somit gehörten auch die beiden Kirchen Soltaus und die wahrscheinlich ältere Heidenhofener Wallfahrtskapelle nach Minden hin. Das älteste Soltauer Gotteshaus war eine kleine Kapelle und hieß „zum billigen Leichnam“ ; es stand an der Stelle, wo sich jetzt das „Bäcker Brammersche Haus“ befindet. Das andere war die wegen der Vergrößerung der Stadt 1470  „auf der Worth“ erbaute „Johanniskirche“, deren 2. Nachfolgerin die jetzige ist. Die Kapelle „zum heiligen Leichnam“ ging aber nicht ein, sondern diente lange Zeit zum Gottesdienste für Pilger und Reisende. Ueber die Heidenhofener Kapelle siehe  näheres  „Heidenhof“. — Die „Grenzen der alten Amtsvogtei (des jetzigen Kirchspiels) Soltau“ waren einer alten Karte von 1772 nach folgende : Als Aus- und Zulaufspunkt nehme ich den noch vorhandenen mit  hohen Wappen versehenen Grenzstein bei Ellingen an (nähere Beschreibung siehe Ellingen). Von hier   lief die Grenze mit 11 kleinen dazwischen liegenden Grenzsteinen, respektive Hügeln bis zu einem Punkte zwischen Ahlften und Wolterdingen, wo der Kirchenweg über ein kleines höher liegendes mooriges Terrain geht, und wo sich wieder ein gleich hoher Grenzstein, wie der Ellinger, befand. Dann ging sie über die Böhme und Harburger Landstraße und rechts davon an ihr entlang bis Hillern, wo wieder ein hoher Grenzstein stand ; dazwischen lagen 15 kleine Hügel. Von Hillern lief sie nordöstlich an dem einstelligem „Hofe Langwedel“ vorbei, und zwar rechterhand, bis an den nach Scharrl führenden Weg, wo wieder ein hoher Stein die Grenze bezeichnete, mit dazwischen befindlichen 11 Hügeln oder kleinen Steinen. Darauf ging sie mit 2 Zwischenhügeln eine kurze Strecke nordöstlich bis an den Wappengrenzstein 2 Kilometer nördlich von der jetzigen Forstar- beiterwohnung bei Behringen. Von dieser eine Spitze bildende Stelle aus verlief die Grenze südlich im rechten Winkel mit 2 Zwischensteinen bis zum „Schmiedeberg“ bei Harmelingen und weiter auch mit 2 dazwischen liegenden Hügeln auf die „Töpinger Eckern“, ein Gehölz  bei Töpingen. Von hier bis zum „Kronsberg“, 2-3 Kilometer östlich von Emmingen war die Grenze wegen Fehlens der Hügel ungewiß. Auf dem „Kronsberg“ indessen befand sich ein hoher Stein mit einem Kreuz. Der Name kommt vom heidnischen Gott „Crodo“, gewöhnlich „Wodan“ genannt, her. Auch die soviel in unseren Wäldern wachsende, ihm geweite „Kronsbeere“ (Vaccinium vitis daea), hat ihren Namen von ihm. Dies nebenbei. Vom „Kronsberge“ verfolgte man die Grenze hinter Willenbockel vorbei in einem Bogen auf Abelbeck zu und zwar auf die Ecke des Wohnhauses, an dessen Ständer ein Kreuz eingehauen war, und von hier in weiterer südlicher Richtung an Penzhorn vorüber in die Nähe von „Kohlmeyers Hof“ in Bockel, wo sich ein hoher Grenzstein befunden haben soll, dann unweit Lehmberg über die Celler Landstraße gehend, an dessen Ende ein Grenzhügel war. Von diesem lief die Grenze in scharf nördlicher Richtung bis an die Böhme, Marbostel gegenüber, welche dann bis eben hinter Neuhaus, wo sich die Brücke befindet, Grenze war. Hier verließ sie den Fluß, ging durch ein Gehölz, „Kutenwinckel“ genannt, über die „Klauwiese“, einen Hügel „Born“ mit Namen, dann über die „Struckwiese“ auf die sog. „Deilwege“ zu, wo sich 2 hohe Grenzsteine befanden. Die „Deilwege“ liegen zwischen Mittelstendorf und Jettebruch. Von hier traten die Grenzhügel, welche von Töpingen aus verschwunden waren, wieder auf, und verlief die Grenze am alten „Mühlenbach“ entlang, an der alten Schleuse, „Steinrieth“, am „Ziegen- oder Meinerner Berge“, durch den „Avenrieper Busch“, dann, sich nördlich wendend, an „Großeholz“ vorbei, auf „Springhorn“ zu, welcher Hof jedoch links liegen blieb. Dann schließlich ging sie östlich an Falshorn vorbei und wieder auf Ellingen zu. Bei Falshorn stand ein gleicher Grenzstein, wie bei Elligen ; zwischen beide befanden sich zahlreiche Grenzhügel.

 Einiges über Schulangelegenheiten

Die Schulmeister (wie sie damals hießen) von Harber, Deimern und Wiedingen beschwerten sich 1765 beim Pastoren „Barkhausen“ zu Soltau über den geringen Sommerschullohn. Infolge- dessen verglichen sich die Bauerschaften mit den Lehrern dahin : „Für jedes Kind sollen anstatt Brot und Butter 24 Mariengroschen bezahlt werden, und soll der Schulmeister in dem Hause, in welchem er Schule hält, freies Essen und Trinken, sowohl im Sommer wie im Winter, bekommen. Dafür muß er aber die Kinder und Dienstboten dieses Hauses unentgeltlich unterrichten (Reiheschule).    Zum Anbau der Soltauer Schule weigerten sich 1827 anfangs die Landgemeinden Fuhrdienste zu leisten. Als Grund gaben sie an, daß Soltau ihnen beim Bau von Landschulen auch nicht hülfe. Gerichtsvorsprachen waren zu der Zeit „Röders“ in Ahlften und „Brümmerhof“ zu Brümmerhof. — 1737 kam „Cantor Beyer“ nach Soltau. Die Landgemeinden weigerten sich, seine Möbel zu fahren. Infolgedessen bestimmte das Konsistorium bei einer ähnlichen Gelegenheit 1748 , daß die Cantormöbel geholt werden müßten. Deshalb befahl der „Amtsvogt Jochmus von Eberstedt“ den Landgemeinden im selbigen Jahre, die Unkosten der Möbelfuhre des „Cantor Sander“ mit 16 Talern zu ersetzen. 

Allgemeines von Ellingen

In altgermanischer „Gauzeit“ bestand das Dorf nur aus einem Hofe, welcher von einem „Edeling“ bewohnt wurde, daher der Name „Elling“. Dieser „Edeling“ mag im gewissen Zusammenhange mit den heiligen Gerichtsstellen des Volkes, in deren Mitte er wohnte, gestanden haben. Diese öffentlichen Gerichte waren Wiedingen, Leverdingen, Wiehholz, Reimerdingen und Wolterdingen, denn „Ding“ bedeutet Gericht. Noch Jahrhunderte später, als schon längst die niedersächsische Gauverfassung verschwunden war, bewohnte noch ein „Adeliger“ den Hof   „Ellingen“, nach welchem er sich nannte. Nach chronistischen Nachrichten ward „Theodor von Elling“ als Anhänger des lüneburg’schen „Herzogs Magnus Torquatus“ (d.h. mit der Kette)  1371 vom deutschen „Kaiser Karl IV.“ mit vielen anderen Rittern des lüneburg’schen Landes geächtet, weil er seinem Landesherrn die Treue gehalten. In der Erbschaftsteilung der „Brüder von Behr“  in Stellichte 1407 wird „Henneke von Elling“, wohnhaft auf dem Hofe zu Ellingen bei Soltau genannt. 1525, also 6 Jahre nach der in der Nähe geschlagenen „Schlacht bei Soltau“, wird in einer alten Schrift „Hans von Ellingen“ als „Vorstender der Kerken to Walsrade“ ge- nannt. Es scheint also, als wenn zu dieser Zeit kein ungeteilter Hof mehr vorhanden war, denn dieser „Hans“ wohnte im Kirchspiel Walsrode. Der Personenname „Elling“ und „von Elling“  ist noch vielfach in unserm Kirchspiel vertreten. Der ursprüngliche „Edelhof“  ist in 2 „Vollhöfe“ einem „halben Hof“  und 1 „Kotstelle“ später geteilt, wann, ist nicht mehr zu eruieren und wie, jedenfalls durch „Erbteilung“. Die Dorfstraße, welche seit ungefähr 100 Jahren an den Höfen entlang führt, ging früher mitten durchs Dorf, indem sie vom „Wiedherrnhof“ herkam. Als die Chaussee von Soltau nach Neuenkirchen gebaut wurde, lehnten die Ellinger den projektierten Bau durchs Dorf ab ; infolgedessen nahm sie die jetzige Richtung ums Dorf herum. Ungefähr 200 Schritte östlich von „Eggers Hofe“ befindet sich am Fahrwege nach Wolterdingen dicht am ersten Pächterhause ein interessanter sehr alter 1 Meter hoher Grenzstein von Sandstein in der kantigen Form eines Obelisken (*Hi/ im Volksmund auch „Schwedenstein“ genannt). An der nach Süden gerichteten Seite bemerkt man  einen Löwen in „heraldischer Form“ herausgehauen und an der Nordseite ein Kreuz. Der Löwe bedeutete die Landeshoheit des lüneburg’schen  Herzogs, das Kreuz die des Verdener Bischofs. Solche schön bearbeitete Grenzsteine gab es ca. 8, welche das Kirchspiel Soltau einfaßten, dazwischen aber eine ganze Reihe von kleineren Granitgrenzsteinen. Der Ellinger Grenzstein schied die Kirchspiele Soltau und Neuenkirchen und das Fürstentum Lüneburg vom Stift Verden, sowie den „Lohngau“ vom „Sturmigau“ von einander. Ich nehme hier Veranlassung, die Einwohner Ellingens auf die Wichtigkeit dieses Grenzsteins, der ein halbes Jahrhundert sicher auf seinem Rücken hat, aufmerksam zu machen, sowie auf die landrätliche Verfügung, welche vor längeren Jahren an den Gemeindevorsteher ergangen ist, dem Steine als einem heimatlichen Denkmal der Vergangenheit jegliche Schonung seitens der Einwohner des Dorfes angedeihen zu lassen. Der Stein ist in kulturgeschichtlicher Beziehung wichtig und dürfte auch für die unsere Heide durch- wandernden Sommerfrischler einen Anziehungspunkt geben. Meines Wissens existiert nur  dieser eine Grenzstein in der Provinz Hannover und ist auch in den angrenzenden Provinzen kein zweiter vorhanden. Wie die Grenze von diesem Stein über den Kesselhaken des alten Wohnhauses auf „Eggershofe“ lief, ist bei der Beschreibung des letzteren näher angegeben. —  Das „Wiehholz“ war früher fiskalisch und gehörte dem Lüneburger Herzoge, war aber seit dem großen Brande Soltaus 1509, der durch Schuld und Versehen des Einwohners „Jürgen Wischhof“ in dessen Hause entstanden war, dem „Ritter von Behr“ in Stellichte in „Lehn“ gegeben, der es folgenden Höfen im „Meierverhältnisse“ überließ : 1) „Clas Hof“ in Ellingen ; 2) „Thees Hof“ in Ahlften ; 3) „Jürs Hof“ in Ahlften ; 4) „Wiedherrnhof“ in Wiedingen ; 5) „Etzhof“ bei Dreifrielingen. Später kamen noch „Hinz Hof“ und „Lütjens Hof in Ellingen, sowie „Springhorn“ in Soltau hinzu.

 Eggers Hof

„ Harm von der Hude“, der Prophet der Lüneburger Heide war 1580 geboren und starb 1660, 80 Jahre alt. Er war mit dem sog. zweiten Gesicht begabt, wie es solche Männer öfter in unserer Heide gegeben hat, die der Volksannahme nach „Vorlaat“ oder „Vorspuk“ sehen können. Die Dichterin „Annette von Droste- Hülshoff“ in „Westfalen“  hat in ihrem Gedichte „Vorgesichte“ einen solchen „Seher der Nacht“  beschrieben und treffend ge- schildert. Auch unser „Harm“ war ein solcher Angehöriger des „gequälten Geschlechts“. Er hat im ganzen 61 Visionen oder Offenbarungen, wie er sie nannte, gehabt. Bei Tage und auch des Nachts sah er plötzlich Kriegsheere vorüberziehen, Dörfer brennen, Feuersäulen am Himmel usw. Die meisten „Gesichte“ fallen noch in die Zeit des 30jährigen Krieges, sodaß sich seine Prophezeiungen wohl erklären lassen, indem allerlei Kriegsgerüchte seinen mit starker Phantasie begabten Geist erregten. Meistens wurde er durch eine Stimme oder durch Klopfen ans Fenster nachtsim Schlafe gestört. Begab er sich dann einem innern Drange folgend, ins Freie, so sah er allerlei Spuk. Die 50. Offenbarung z.B. trug sich so zu und schilderte er wie folgt : „Anno 1656, den 1. Januar, um 12 Uhr nachts, kam einer unvermutet vor mein Kammerfenster, klopfte 3 mal an und rief mich bei meinem Vornamen. Ich stand auf, zog meine Kleider an und ging nach der Tür um zu sehen, wer da wäre. Ich sah niemand, aber eine Stimme sprach : „Hermann sei getrost und verzage nicht, vertraue Gott, der Dich erschaffen, Dir soll kein Leid wi- derfahren“. Mit dem ward ich entzückt, kam aus dem Raum hinaus auf meinen Acker und sah im Norden ein großes Feuer sich erheben. Es ließ sich ansehen, als sollte die Welt untergehen. Alle Sterne und der Mond sahen blutrot aus. Dabei hörte ich eine klägliche Stimme, welche 9 mal wehe schrie über alle geistlichen Personen, über alle Regenten und alle Menschen. Darnach sprach die Stimme : „Nun gehe zu Hause in Gottes Namen“. „Harm von der Hude“ war des Schreibens unkundig. Sein erstes Gesicht hatte er am 8. März 1633. Als er sich am andern Tage in der Nähe seines Hofes auf der Heide befindet, hörte er eine Stimme, welche ihm sagte, er solle das Erlebte vom Pastoren in Wolterdingen aufschreiben lassen. Diesen Befehl befolgte er in diesem und allen folgenden Fällen. Nach seinem Tode wurden alle Offenbarungen gedruckt, aber nur in wenigen Exemplaren. Die noch vorhandenen Exemplare sind handschriftliche, von den gedruckten abgeschrieben. Es dürfte aber wohl kaum noch ein Buch vorhanden sein. —  Ein interessantes Ereignis will ich nicht unerwähnt lassen, 1644, 4 Jahre vor Schluß des 30jährigen Krieges ließ der „Erzbischof Friedrich von Bremen“, ein Sohn des „Königs Christian von Dänemark“ und später „König von Dänemark“, ihn nach sei- nem Schlosse Bremervörde kommen und fragte ihn, ob er auch von ihm eine Vision gehabt habe. Hermann antwortete, daß er ein großes Heer von Norden herkommend gesehen hätte, das den Erzbischof  aus seinem Lande vertrieben habe. Der Erzbischof lachte über diese Prophezeiung, ließ dem Hermann aber für seine Mühe eine Seite Speck mitgeben. Im nächsten Jahre aber trat die Prophezeiung schon ein, indem der schwedische „General Hans Christoph v. Königsmark“ das Erzbistum Bremen-Verden für die Krone Schweden, bei welcher er bis 1718 blieb, in Besitz nahm. Auch eine andere Prophezeiung traf ein. 1656 mußte Hermann nämlich dem erwähnten „General v. Königsmark“ in Stade die Zukunft vorhersagen. Auch diesem sagte er nichts angenehmes, nämlich, daß er noch mal würde lange gefangen gehalten werden. Bekanntlich nahm die Stadt Danzig den General später gefangen und behielt ihn lange im Kerker. — „Hermann von der Hude“  stammte von geringer Abkunft. Sein Vater war ein armer „Häusling“ aus dem „Stift Verden“. Er war von unansehnlicher Leibesbeschaffenheit, war schlicht, einfach und demütig im Benehmen, von kleiner Statur und wortkarg. Er hatte eine kleinlautende, sanfte Stimme, blaue Augen, eine etwas krumme Nase, flachsgelbe Haare und eben solchen dünnen Bart. Auch führte er einen gottesfürchtigen Lebenswandel und mochte kein Schimpfen, Fluchen und gottlose Worte hören.Da er solche bei andern tadelte und die Leute zur Besserung ihres Lebens ermahnte, hatte er viel Spott und Hohn zu erdulden. Der „Pastor Holtmann“ in Soltau, welcher zu dieser Zeit amtierte, hielt anfangs nicht viel auf Hermann. Als dieser sich aber  auf Gottes Wort, nämlich auf den „Propheten Joel Cap. II 28“ (jetzt Cap. III. V.1) bezog, war er anderer Meinung. Auch ein „Hamburger Pastor, Dr. Schoppius“, gedachte öfter in seinen Predigten des Sehers aus der Lüneburger Heide, unter andern einer Vision, die er gehabt habe in der Art, daß er Hamburg habe in Flammen aufgehen sehen. Bekanntlich brannte fast ganz Hamburg 1842 ab.  Zum Schlusse setze ich einen Vers der „westfälischen Dichterin A.v. Droste-Hülshoff“ hierher : „Kennst du die Blassen im Heideland / Mit blonden flächsernen Haaren? / Mit Augen so blau, wie an Weihers Rand / Die Blitze der Welle fahren? / O, sprich ein Gebet, inbrünstig, echt, / Für die Seher der Nacht, das gequälte Geschlecht.“

Die „Obedienz“ oder „Acht“ von Soltau.

Unter dieser Bezeichnung verstand man das Kirchspiel oder den „Go“ Soltau. Der Name ist uralt, wohl schon zur Zeit der Übergabe des „Loingaus“ seitens „Karl des Großen“  ans „Stift Minden“ gängig gewesen ; er verlor sich ungefähr im 16. Jahrhundert. Auch die benachbarten „Gohe“ führten diese Bezeichnung, so „Acht“ Fallingbostel, „Acht“ Walsrode, „Acht“ Bergen, „Acht“ der„Dürleute“ (Düshorn), „Acht“ Wietzendorf usw. Fast alle größeren Bezirke („Marken“), welche „Markgenossenschaften“ waren und „Markgerichte“ hatten, führten die Bezeichnung „Acht“. Man setzt am besten für das Wort die Bezeichnung  Gericht. Im Anfange bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts besaß das „Stift Verden“ die „Acht Soltau“, d.h. die Landgemeinde und von Soltau selbst nur eine gewisse Anzahl von Häusern. Die Kirche ist nie „verdisch“ gewesen, sondern gehörte damals zum „Stift Minden“, wie alle Kirchen des „Loingaus“. Da Soltau vom „Kloster Quedlinburg“ der „Schirmvogtei“ des „Herzogs Magnus“ , des letzten „Billungers“, übergeben war und somit derselbe und später die „welfischen Fürsten“ eine „Vogtei“ und Gericht in Soltau hatten, andrerseits aber auch den „Verdener Dom“  in einem Teil der Stadt und auf dem Lande Recht und Gericht hatte, so gab es häufig Streit zwischen beiden Gerichten. Aus dem Grunde verkaufte Verden die „Acht zu Soltau“ an den lüneburger „Herzog Heinrich von Aeltern“. Dieser „Obedienz“ oder „Acht“ stand der „Domherr Wilken von Schönebeck“ als sogenannter „Obedientiarius“ (Gerichtsherr oder Verwalter) vor. Derselbe hatte seine Wohnung in Soltau und nahm die „Brüche“ und Strafgelder, welche aus den „Holtdingen“ (Holzgerichten), „Marken-“ und „Wrogen-“ wie Zivilgerichten flossen, in Empfang und lieferte sie nach Verden ab ;  auch war er zugleich Richter und schlichtete Streitigkeiten, nahm die „Zehnten“ und „Gefälle“ der Höfe entgegen und die über den Verkauf ausgesetzte Urkunde hatte außer anderem folgenden Inhalt : „Duth nafolgende hefft de Obedientiarius in Soltow gehat, also die Zehnten und Gefälle der Höfe, ehe dat eyn  Capittel van Verden dem Hertzoge van Lüneborch, Hertzogen Heinrich dem Aeltern verkofft hebben um Fredes willen de Acht tho Soltow  vor soven und twintigste habo hundert lübische Mark  lüneborger Wäringe. Geschehen anno 1479 am negesten Dage na unser leven Fruwen Conceptionis De Herren so de acht tho Soltow  verkofft hebben, sind gewesen, de Oldeste als decanus Otto Fulde und Oberdientiarius  the Soltow Wilken von Schönebecke, als Scholaster Harmen Schütte, Berthold Hardenberg, Harmen Schnitger, Johann Preen, Ulrich von Assel, als Sangmester Brand Honemann, dann Lüder Töbing und Claus von Mandelslo, alle Dom- herrn tho Verden und tho de Tidt dat  Capittel makende“. Folgende Höfe mußten Geldabgaben an Verden entrichten : „Weiher, Bassel, Penzhorn, sowie die Dörfer Brock, Meßhausen und Wiedingen“. In einer geographischen Beschreibung des Königr. Hannover von 1819 von „Schickedanz“ ist die Amtsvogtei Soltau also beschrieben : „Sie hat dürren Heideboden und eine Größe von 64301 Morgen. Die Bewohner nähren sich von der Schaf- und Bienenzucht, vom Handel mit Holz, Wolle und Leinewand, vom „Hollandgehen“ und „Böttchergewerbe“. Der Hauptort ist Soltau, eine kleine Stadt von 132 Häusern und 1100 Einwohnern, unter denen viele Tuch- und Zeugmacher und Leineweber sind. Sie verfertigen be- sonders den bekannten „Heidmanchester“. An einer anderen Stelle dieses Buches werden die Heidebewohner im allgemeinen beschrieben : „Dieselben treiben Handel mit Holz, Honig, Wachs, Wolle, Garn und Strümpfen. Sie sind nicht unglücklich, wie man gewöhnlich glaubt, sondern genügsame und wohlhabende Menschen. Ihre Kost ist täglich Buchweizengrütze, aus deren Mehl  sie Klöße, Wurst und Brot bereiten. Im Winter ist brauner Kohl ihre gewöhnliche Speise, aber sie mögen auch gern Speck und Wurst“. Zu obigem bemerke ich, daß die Buchweizengrütze nur zu Wurstbereitung genommen, sonst allerdings täglich mit Milch und Buttermilch genossen, aber keine Klöße und Brot daraus bereitet wurden. Das Buchweizenmehl diente zu den täglich genossenen Klößen und Pfannkuchen (Puffer). Letztere sind dem Verfasser wohl für Brot vorgekommen. Das tägliche Brot war richtiges Schwarzbrot aus Roggenmehl.

 

Die Stadt, die Dörfer und die einstelligen Höfe

Die Lage der Dörfer und einstelligen Höfe war früher besonders von der Weide für das Vieh und der Ackerfähigkeit des Bodens abhängig. So wie das Vieh der größte Schatz unserer Heidebauern war, so war die Weide vorrangig bei der Wahl des Siedlungsortes. Der magere Ackerboden brachte hier nur geringe Erträge kaum ausreichend für die menschliche Ernährung. Die Flußtäler und die große Wälder waren als Weide besonders geeignet. Deutlich folgen darum die Siedlungen  den Flußtälern (Rand der Talauen) und besonders den Nebenarmen der Flüsse. Nur vereinzelt finden wir einstellige Höfe auf den Anhöhen. Dünengebiete und Moore wurden bei der Besiedlung immer gemieden. Auf unserem Kartenblatt erkennen wir eine dünne weiträumige Besiedlung. Nach der ältesten uns bekannten Gebietseinteilung gehörte das Gebiet zum sächsischen „Loingau“ (germanisches Stammesgebiet / *Hi). Mit Einführung des Christentums entstand hier eine selbständige Parochie Soltau (Kirchengemeinde /*Hi) im Bereich des Bistums Minden. Bis 1575 hatte diese Kircheneinheit im alten Umfang bestanden ; bei der Festsetzung der Grenze zwischen dem Bistum Verden  und dem Herzogtum Lüneburg wurde jedoch die Kirche Wolterdingen herausgelöst und dem Amt Rotenburg zugeschlagen. Unter den Namen der Ortschaften sind die Zahlen ihrer Feuerstellen vermerkt. Das hatte zwar überwiegend militärische Gründe (Einquartierung), ist aber auch für unsere heutige Betrachtung von großer Bedeutung.

Auf unserem Blatt, das eine Gesamtfläche von 238 km² erfaßt, sind insgesamt 272 Feuerstellen angegeben. Die Einwohnerzahl ermittelt sich aus dem 6 – 8fachen der Feuerstellen. Für das Blatt Soltau ergibt diese Rechnung 2174 Einwohner ; 9 Einwohner pro km². Das war die Grenze der Leistungsfähigkeit der Landschaft in der Heidebauernzeit; mehr Einwohner konnte der Boden nicht ernähren. Heute wohnen auf der gleichen Fläche 21200 Einwohner, also 89 je km².

Die Stadt Soltau

Aus dem ehemaligen fränkischen Königshof „curtis Salta“ wurde in 4 bis 5 Jahrhunderten ein ansehnliches Dorf, das durch die Parochie und die herzogliche Burg besondere Bedeutung für die weitere Umgebung erlangt hat. Als die Bauern später ihre Sicherheit durch die Fehden und Raubzüge der Ritter gefährdet sahen, baten sie ihren Landesherrn, ihre Siedlung neu auf einer Worth in der Nähe der Burg errichten und durch Graben, Hagen, Mauern und Tore schützen zu dürfen. 1383 wird ihnen dieses Recht gegen jährliche Zahlung von 12 „Mark Pfennige“ Lüneburger Wertes gegeben. Diese Neusiedlung war der Grundstein für den heutigen Kernbereich der Stadt am Zusammenfluß der Böhme und Soltau. Da ihnen ihre Besitzungen im alten Dorf erhalten blieben, war damit auch die Voraussetzung für die weitere Entwicklung der Bauernschaft Vorsoltau geblieben. Als Gegenleistung für den von der Lüneburger Kaufmannschaft erwirkten Abbruch der Burg erhielten die Soltauer Bürger 1388 das Stadtrecht (Weichbild – Recht nach Celler Vorbild). Im Jahre 1775 werden für Soltau 132 Feuerstellen registriert ; das ergibt nach unserer Umrechnung ca. 1050 Einwohner. Obwohl die Bauernschaften Vorsoltau und Bromheide zu dieser Zeit noch nicht zur Stadt gehörten, weist unsere Karte sie schon als eine Einheit ohne besondere Benennung Vorsoltaus aus. Diese räumliche Nähe ist auch Ursache dafür, daß die Stadt und die beiden Bauernschaften in mehrerlei Hinsichten schon einheitlich handeln. So ist z.B. für beide Bauernschaften die Contribution (Landabgaben /*Hi) aufgehoben und wie in der Stadt der Licent (Zoll / Steuer /*Hi) eingeführt. Auch bei der Aufteilung der Gemeinschaftsflächen in den Jahren 1810 – 1840 werden alle 3 Ortsteile weiter als eine Einheit behandelt. Beurkundet wird die Eingemeindung jedoch erst 1842. Die geschlossene Bebauung der alten Stadt hebt sich in der vorliegenden Karte deutlich von der dörflichen Siedlungsstruktur Vorsoltaus ab, denn 115 Hausstellen  sind auf ca. 4 ha eng untergebracht, während sich 7 Bauern  in Vorsoltau auf ca. 11 ha erstrecken. Daß auch in der alten Stadt der Ackerbau noch eine wesentliche Lebensgrundlage ist, zeigt das Scheunenviertel vor dem Walsroder Tor. Hier werden zwar nur 13 Scheunen dargestellt, diese Darstellung ist aber nicht vollständig, denn erheblich mehr Ackerbürger hatten zu dieser Zeit ihre Feldfrüchte und teilweise auch Vieh dort untergebracht. Noch 1870  wurden trotz einsetzender Wohnbebauung an dieser Stelle 36 Scheunen, teils 2 in einer Einheit, aufgemessen.

( /*Hi = beigefügt )

Die Dörfer und die Einzelhöfe

Die Dörfer und eingestellten Höfe auf unserer Karte gehören überwiegend zur früheren Amtsvoigtei Soltau. Es fällt auf, daß noch die Grenzen der Soltauer Vogtei markiert sind, obwohl bereits 1756 die Vereinigung mit der Vogtei Fal- lingbostel stattgefunden hatte. Eine weitere Ungenauigkeit scheint auch in der südlichen Vogteiabgrenzung zu liegen, denn die Höfe Penzhorn und Hebenbrock gehören zur Bauernschaft Brock. Diese hat aber immer zur Vogtei Soltau gehört. Von allen Dörfern fällt uns das Kirchdorf Wolterdingen besonders auf. Mit 17 Bauernstellen ist es nicht nur das größte Dorf, es ist auch auffallend stark vom Laubwald eingefaßt (Hofeichen). Hier tritt nach dem allgemeinen Rückgang des Waldbestandes die Eigenversorgung der Bauern mit Bauholz und Waldweide deutlich hervor. Alle übrigen 22 dörflichen Siedlungen auf dem Blatt haben nur zwischen 2 und 8 Feuerstellen, also nicht mehr als 60 Einwohner. Es ist auch festzustellen, daß die Siedlungen dieses Bereichs über viele Jahr- hunderte hinweg bis in das 20. Jahrhundert hinein in ihrer Größe kaum verändert sind; ein Beweis für die Grenzen der Erträge bei der früheren Wirtschaftsweise. Andererseits sind aus der Kartendarstellung und der Beschriftung aber auch keine ausgestorbenen Höfe oder Siedlungen erkennbar, wie das in anderen Gebieten z.B. um Lüneburg in früheren Jahrhunderten häufig infolge der Waldverwüstung vorgekommen ist. Lediglich die Flurbezeichnung Wüsthof im Westen der Stadt Soltau deutet noch auf einen nicht mehr vorhandenen Hof hin. Insgesamt besiedeln 22 Einzelhöfe das Gebiet unseres Blattes. Die großen Ab- stände zwischen den Höfen und Dörfern geben einen Hinweis auf die großen Flächen, die sie bewirtschaften. Adelige Wohnsitze sind hier nicht vorhanden. Eine besondere Bedeutung hat aber der „adelich-freie canzleisässige, aber nicht landtagsfähige Sattelhof“ Stübeckshorn, „den die Meier von der Landesherrschaft zu Lehn tragen“. Der Sage nach soll Herrmann Billung, Herzog von Sachsen ( gest.973 ) auf diesem Hof geboren worden sein. Historisch ist das aber nicht belegt. Auch zu der „hohen und niederen“ Jagd ist der Besitzer von Stübeckshorn neben der Landesherrschaft und einigen adelig Begüterten der weiteren Umgebung weit über die Grenzen dieses Blattes berechtigt.

Die Landschaft

Unsere Karte zeigt noch das typische Bild der Lüneburger Heide. So wie sie von Dichtern beschrieben wurde; eine Landschaft, die durch weite Heide- und Moor- flächen, Bruchwälder, Äcker auf den höher gelegenen Flächen und eine dünne Besiedelung gebildet wird. Nur in den kleinen Talauen erkennt man Wiesen, und die Wege ziehen in großer Zahl scheinbar ungeordnet über die Fläche, als verursachten sie weder in der Anlage noch in der Unterhaltung Kosten. Und so ist es auch gewesen; wenn ein Weg durch Wetter und übermäßige Nutzung unbrauchbar geworden war, so wurde, meist parallel dazu, ein neuer Weg eingefahren.

Straßen und Wege

Nur eine einzige Straße von übergeordneter Bedeutung, die Poststraße von Celle nach Harburg, durchquert unser Blatt über Wietzendorf in nördlicher Richtung. Alle übrigen Wege präsentieren sich nur in regionaler Qualität – wobei die zentrale Bedeutung der Stadt Soltau für die Umgebung durch eine große Zahl von Wegen aus allen Richtungen hervorgehoben wird. Chausseen gab es 1775 in diesem Teil des Kurstaates noch nicht; die ersten entstanden gerade in dieser Zeit im Süden des Landes. Für den nördlichen Landes- teil müssen aber auch zumindest die Planungen für die großen Landesstraßen begonnen haben, denn gleich nach der Napoleon-Zeit wird in unserem Bereich die heutige Bundesstraße 3 ausgebaut. Auf der Generalteilungskarte von Soltau, die in ihrem alten Bestand ein Auszug aus der Kurhannoverschen Landesaufnahme zu sein scheint, ist 1810 noch der alte Wegeverlauf, beim Abschluß ca. 1820 aber schon die neue Trasse erkennbar. Die heutige B71 – 209 (Lüneburger Straße) wird später bei der Gemeinheitsteilung (1840) und den Verkoppelungen  der an- deren Gemeinden mit ihrer neuen Trasse ausgewiesen. In der Papen’schen Karte (1832 – 1847) ist die Bundesstraße 3 als Hauptverkehrs- straße dargestellt, die späteren Bundesstraßen 71 und 209 aber noch nicht einmal im Ansatz als Straße von überörtlicher Bedeutung erkennbar.

Die Heide und ihre Bewirtschaftung

Mehr als 60 % unseres Blattes sind mit Heideflächen bedeckt. Diese Kulturart ist für unser Gebiet nicht ursprünglich, sondern eine Entwicklung über einen langen Zeitraum. Früher wurde die Landschaft von Moorflächen, von großen Erlen- und Birkenbruchwäldern in den Niederungen und Eichen-Hainbuchwäldern auf den Geestflächen geprägt. Die Bauernwirtschaft vieler Jahrhunderte hat hier einen Wandel geschaffen, der zu dem Landschaftsbild 1775 geführt hat. Nur die Wiesen und Äcker gehörten bis dahin einzelnen Besitzern, die Wälder, die Heide, Moor, Bruch- und Buschflächen hingegen wurden gemeinschaftlich genutzt. Da das Vieh aber hauptsächlich von der Waldweide lebte, trat langsam ein Prozeß zum Nachteil des Waldes ein : der Altholzbestand wurde für Bau- und Brennholz abgeholzt und der natürliche Nachwuchs, sowohl die Triebe als auch die Früchte, wurden vom Vieh „abgegrast“. Die Folge war eine ständige Vermehrung der Heideflächen und damit eine stärkere Orientierung der Viehwirtschaft vom Schwein und Rind zur Heidschnucke und den Bienen. Die Celler Viehschatzregister von 1589 und 1770 belegen diesen Wandel ausführlich. Heide-Bauernwirtschaft, das ist vorherrschend Heidschnuckenhaltung, Plaggennutzung und Imkerei. Der Plaggenhieb sorgte für Einstreu im Viehstall und dann für Dünger auf dem Acker. Er begünstigte auch zusammen mit der Heidschnuckenhaltung den Vormarsch der Heide. Über Jahrhunderte hinweg war die Heide eine Wirtschaftslandschaft, die sich getragen hat.Die Einführung des Kunstdüngers, der gleichzeitig starke Rückgang des Wollepreises durch billige Einfuhren und die Aufteilung der Gemeinheitsreviere veränderten die Heidewirtschaft entscheidend. Auch von öffentlicher Hand wird die Kultivierung der Heideflächen voran- getrieben. Auf der „Konferenz zur Beförderung der Aufforstung von Ödländereien in der Lüneburger Heide“ 1898 schildert  der damalige Landrat Heinichen den Zustand der Heide so : ….“Mit ihrer Wirtschaftsform ging das von ihr geschaffene Landschaftsbild der weiten Haide unter ….. weit ausgebreitete Flächen, welche in manchen Gegenden in ihrer Ausdehnung gute Rittergüter darstellen würden, liegen brach, da die Heide weder zum Plaggenhieb noch zur Weide für Heidschnucken genutzt wird“. Er schloß seine Ausführungen : „ ….. die teilweise noch jetzt vielverrufene Lüneburger Heide wird aufblühen nach jeder Richtung hin und einst wird man nicht mehr von der öden Lüneburger Heide reden, sondern singen und sagen vom Lüneburger Wald“.

Der Wald und die Forstwirtschaft

Die frühere Landschaft der großen Eichen- und Hainbuchenwälder, der Erlen- und Birkenbrüche finden wir auf unserer Karte, also 1775, schon nicht mehr vor. Um die Stadt Soltau herum gibt es keinen nennenswerten Wald mehr und die in der weiten Umgebung relativ groß erscheinenden Waldbestände, die sich auch deutlich von der Gemeinschaftsweide abgrenzen, sind im Grunde nur noch Unter- brechungen der weiten Heide- und Moorlandschaft (z.B. der Süttels bei Harmelingen, das Stübeckshorner Holtz und Stips Holtz, Meyers Bruch bei Moide, der Wietzendorfer Bruch nordwestlich von Wietzendorf und der Lintloh östlich von Meinholz). Die Waldverwüstung muß in unserem Gebiet auch schon vor 1600 diesen Stand erreicht haben, denn die Mellingersche Karte, die zu diesem Zeit- punkt entstanden ist, weist für die ganze Vogtei Soltau großflächig nur Heide aus, während sie  in den Nachbarvogteien z.B. Amelinghausen, noch viele und große Waldflächen aufzeigt. Wie sehr um die Stadt Soltau herum der alte Baumbestand, besonders die Eichen, schutzbedürftig geworden sind, zeigt die Maßnahme, daß bei der Aufteilung der Gemeinheitsflächen 1839 auch die kleinen Waldbestände wegen ihrer Erhaltung nicht privatisiert, sondern vorweg der Stadtkämmerei zugeteilt wurden. Einige Dörfer wie Wiedingen, Mittelstendorf, Moide-Suroide, Meinholz und Ilster, aber auch einige Einzelhöfe können noch guten Waldbestand in Siedlungsnähe aufweisen, die insgesamt aber nicht einmal mehr als 5% der Gesamtfläche ausmachen. Nach der Gemeinheitsteilung setzt in der Gemarkung Soltau eine spürbare Auf- forstung besonders in ortsfernen Revieren ein. Während auf der Generalteilungskarte 1820 nur zusammen 38 ha = 3% Holzfläche ermittelt werden können, sind es 1870 bei der ersten Katasteraufnahme schon 204 ha = 14%; heute sind es 356 ha = 23%. Auch in den ländlichen Bereichen wird dieser Prozeß , wenn auch etwas langsamer, deutlich. Der Land- und Forstwirtschaftliche Verein für das Fürstentum Lüneburg unterstützt seine Mitglieder mit Rat und Beihilfen bei der „Heideumwandlung“. Doch nur wenige Bauern können diese Leistung vollbringen. Weite Heideflächen, ja ganze Höfe werden in der Folgezeit zum Kauf angeboten. Als Käufer tritt in unserem Bereich hauptsächlich die Klosterkammer auf. In den Jahren 1865 – 1870 werden von ihr große Heideflächen in der Gemarkung Töpingen und 1873 der gesamte Hellmansche Hof (Königskrug) erworben. Die Gebäude werden als Forstdienstgebäude verwendet. Auch an der Nordgrenze unseres Blattes, bei der Ortschaft Scharrl wird ein ganzer Hof mit Gebäuden von der Klosterkammer übernommen. Insgesamt erwirbt die Klosterkammer in der Zentralheide 3800 ha, die sie in relativ kurzer Zeit aufforstet. In Oerrel – auf dem östlichen Anschlußblatt – erwirbt auch noch vor der Jahrhundertwende der Preußische Staat alle Höfe des Dorfes. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts prägt nun im Gegensatz zu früheren ursprünglichen Eichen-, Hainbuchen- und Erlenwald der Nadelwald das Bild unserer Landschaft. Heute stellt die Statistik für den Altkreis Soltau 345 km² = 36% Wald- fläche, davon 98% Nadelhölzer, fest.

Moore

Viele einzelne, größere und kleinere Flächen sind auf unserem Kartenblatt als Moor gekennzeichnet; zusammen eine Fläche von mehr als 10 km². Fast alle werden mit einem Namen genannt, der sich teils von der Lage (Teten- dorfer Moor) und teils von der Beschaffenheit (Witten Moor, Seng Moor) herleiten lassen. Doch ein Vergleich mit der heutigen Topographischen Karte 1 : 25000 zeigt, daß es überwiegend nur flache Niederungsmoore gewesen sind, die inzwi- schen durch Kulturmaßnahmen zu Grünland oder Wald umgewandelt wurden. Nur die Flurnahmen erinnern heute noch an die frühere moorige oder sumpfige Oberfläche. Zwei große Flächen werden aber auch heute noch in der Topogra- phischen Karte 1 : 25000 nachgewiesen; das schwarze Moor mit Ehbläcksmoor westlich von Deimern-Grasengrund und das Wietzendorfer zwischen Abelbeck und Lührsbockel. Das Ehbläcksmoor wird heute durch Naturschutz vor einer Ver- änderung bewahrt; das Wietzendorfer Moor dagegen ist jetzt eine große Abbau- fläche für die Produktion von Blumenerde.

Die landwirtschaftlich genutzten Flächen

Beinahe parallel zueinander verlaufen die Böhme und die Wietze mit ihren Zuflüssen, alle in ihrer Hauptrichtung von Norden nach Süden, über unser Blatt.Deutlich durch eine kräftige Farbe hervorgehoben, erkennen wir hier in den Talauen der Flüsse und Bäche in einer Breite von 100 bis 150 Metern die Wiesen. Als einzige grüne Fläche abseits einer Talaue liegt die ca. 80 ha große Neue Weide südöstlich von Soltau. Soltauer Bürger haben hier zu dieser Zeit eine geeignete Fläche als Wiese hergerichtet, denn Wintervorrat für das Vieh war eine der großen Sorgen für die Heidebauern. Wälle, Hecken und Büsche an ihren Rändern zeigen an, daß ihre Besitzer sie vor der Gemeinschaftshude schützen müssen. Nur 2 Fuder Heu je Morgen sind in jener Zeit ohne Dünger zu erzielen, und der Anteil der Wiesen an der Gesamtfläche ist nur gering. Dagegen ist die Ackerfläche sehr groß. 1775 bewirtschafteten allein die Soltauer Bauern und Ackerbürger fast 400 ha (= 27%) in 5 großen Gewannen. 1870 registriert die erste Katasteraufnahme sogar 551 ha (= 37%). Durch die starke Siedlungstätigkeit nach 1945 ist die Ackerfläche bis 1982 auf 319 ha (= 21%) zurückgegangen. Im all- gemeinen war die Hälfte des Ackerlandes mit Roggen bestellt, die andere Hälfte lag brach oder trug Buchweizen oder Hafer. Kartoffeln und Hackfrüchte hatten sich zu dieser Zeit noch nicht durchgesetzt. Auf unserem Boden mußte bei der mangelhaften Düngerversorgung die damals übliche einjährige Brache nach 2 Erntejahren oftmals noch ausgedehnt werden, so daß immer nur ein Teil des Ackers für die Ernährung der Menschen zur Verfügung stand. Wiesen und Äcker sind 1775 sämtlich in Privatbesitz, der Mangel an Weide und Winterversorgung schließt sie aber nach der Ernte in die Gemeinschaftshude ein. Der Rezeß über die Generalteilung gibt mehrfach Hinweise dafür, daß die Soltauer Bürger noch Weiderechte auf den nahen Äckern von Besitzern aus den Nachbarorten halten.

Wertung

Die Karte der Kurhannoverschen Landesaufnahme ist für unser Gebiet die älteste Karte, die sowohl die Siedlungen als auch die Landschaft in allen Details mit guter Genauigkeit und starker Aussagefähigkeit wiedergibt. Daß sie für das ganze Kurfürstentum Hannover flächendeckend in gleicher Ausstattung vorliegt, macht sie auch für Gebietsvergleiche wertvoll. Insgesamt finden wir hier ein Kartenwerk, das als Dokument unserer Kulturlandschaft des 18. Jhd. einzigartig und für die Heimatforschung und landeskundlichen Arbeiten von grundlegender Bedeutung ist. Der Wert dieser Karte liegt vor allem darin, daß sie noch vor den großen durch die französische Revolution ausgelösten politischen Umwälzungen und den direkten Einflüssen der Napoleonischen Zeit der Nachwelt ein unverfälschtes Bild von der damaligen Landschaft vermittelt. Das Blatt Soltau zeigt noch eine Landschaft, die in dieser Struktur seinen Bewohnern viele Jahrhunderte hindurch fast unveränderte Lebensbedingungen geboten hat, eine Landschaft, die es außer im Naturschutzpark nicht mehr gibt. In einzigartiger Weise wird es jedem Interessierten möglich gemacht, durch Vergleich der Karte von 1775 mit der heute aktuellen Topographischen Karte 1 : 25000 den grundlegenden Wandel der durch die Aufteilung der Gemeinheitsflächen im Zusammenhang mit der Agrarreform, die großen Heideaufforstungen , die umfangreiche Verkehrserschließung und auch die Industrialisierung verursacht wurde, zu verfolgen. Der fachkundige Kartenliebhaber wird durch die feine Zeichnung, die zutreffende Farbgebung, die gute Darstellung des Geländes und seiner Nutzung und die umfangreiche Beschriftung geradezu eingeladen zu intensiver Betrachtung. Es gibt viel Neues zu entdecken und zu bewundern.

Verfasser : Wolfgang Bargmann (1926 – 2020) aus Soltau., SPD – Kommunalpolitiker (u.a Bürgermeister der Stadt Soltau). Vermessungsamtmann beim Katasteramt in Soltau.

Der Landkreis Heidekreis (1873 km2 / 72 Einwohner / km2 / Daten : 2017) ist ein reiner Geestkreis. Im Nordosten reicht er in die kuppige Endmoränenlandschaft der zentralen Lüneburger Heide mit ihrem höchsten Punkt, dem Wilseder Berg (169 m über NN), hinein.

Nach Südwesten flacht sich das Kreisgebiet allmählich über die weiter vorgelagerten Sander- und Hochflächen der „Südheide“ bis zur Allerniederung mit dem tiefsten Punkt bei Rethem (15 m über NN) ab. Die Kreisgrenzen umreißen aus historisch – politischer Sicht im wesentlichen ein Jahrhunderte hindurch dem Fürsten- bzw. Herzogtum (Braunschweig-) Lüneburg zugeordnetes Herrschaftsgebiet.

Die früheren Kirchspiele Schneverdingen, Neuenkirchen und Wolterdingen gehörten bis 1859 zum Herzogtum Verden.
In seinen heutigen Grenzen als Landkreis Soltau – Fallingbostel ist er im Zuge der Kreisreform am 01. August 1977 entstanden aus den beiden 
1885 aus den „Ämtern“ Ahlden und Fallingbostel bzw. Soltau gebildeten – Altkreisen Fallingbostel und Soltau und dann 2011 zum Heidekreis umbenannt worden.

Quelle : NABU (Heidekreis (Abschrift aus dem Internet durch den Dorfchronisten Peter Hillmer im Februar 2018).